Er selbst habe im Sommer vergangenen Jahres Senkungsrisse im Keller des Gebäudes festgestellt und dies auch an die Archivleitung weitergegeben. Noch in der vergangenen Woche habe es Hinweise auf erhebliche Senkungsrisse gegeben. Ihm sei noch am Dienstag von der Stadt Köln offiziell bestätigt worden, dass diese Hinweise eingegangen seien: «Man wird also jetzt danach forschen müssen, wer ist verantwortlich dafür.»
Der Schaden sei erheblich größer als beim Brand der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek, sagte Illner. «Wir reden hier von ungefähr 18 Regalkilometern wertvollsten Archivguts, und zwar europäischen Ranges.» Bei dem Kölner Archiv handele es sich um ein nationales Kulturgut. In dem eingestürzten Hauptgebäude habe sich das Hauptarchiv des Bestandes mit der seit 1000 Jahren gelagerten kompletten Überlieferung der Stadt Köln befunden. Dazu habe auch ein großes Nachlassarchiv von Schriftstellern und Komponisten sowie ein bedeutendes Architekturarchiv gehört. «Das sehe ich jetzt vor mir unter Bergen von Beton und Bergen von Schutt. Das ist erschütternd», sagte Illner.
In Köln war am Dienstagnachmittag das Gebäude des Historischen Stadtarchivs im Severinsviertel komplett eingestürzt. Das vierstöckige Haus kippte nach Augenzeugenangaben in eine nahe gelegene U-Bahnbaustelle. Zwei Nebengebäude fielen ebenfalls in sich zusammen. Autos wurden unter den Gebäudeteilen begraben. Mehrere Personen erlitten laut Feuerwehr einen Schock. Von Toten und Verletzten war zunächst nichts bekannt. Die Einsturzstelle in der Südstadt wurde weiträumig abgeriegelt.
Polizei und Feuerwehr lösten Großalarm aus. Am Nachmittag wurde noch ein Ehepaar vermisst, das sich in einem Wohngebäude neben dem Archiv aufgehalten haben soll, wie der Kölner Feuerwehrdirektor Stephan Neuhoff sagte. Dieses Wohngebäude sei zu zwei Dritteln eingestürzt. Nach den Vermissten werde mit Hunden gesucht. Weitere Personen würden derzeit nicht vermisst.
Laut Polizei stürzte das Gebäude des Historischen Stadtarchivs auf einer Länge von 50 mal 70 Meter ein. Augenzeugen berichteten, dass das Gebäude wie bei einem Erdbeben wie in Kartenhaus in sich zusammengefallen sei. Die umliegenden Gebäude wurden aus Sicherheitsgründen geräumt. Eine Augenzeugin sagte dem Nachrichtensender n-tv, sie sei von Bauarbeitern daran gehindert worden, an dem Gebäude vorbeizufahren. Plötzlich habe sich von unten nach oben ein Riss in der Fassade gebildet, diese sei dann abgeplatzt. Anschließend sei das Archiv «langsam eingestürzt, wie in einem schlechten Film».
Nach Angaben von Neuhoff hat sich der Einsturz des Stadtarchivs durch Geräusche im Gebäude angekündigt. Die Nutzer der Einrichtung konnten sich daraufhin noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Kurz darauf brach das Gebäude in sich zusammen.
In der Nähe des Historischen Stadtarchivs wird derzeit die unterirdische neue Kölner Nord-Süd-Bahn gebaut. Ob sich Personen in dem Schacht befanden, in den das Gebäude stürzte, ist derzeit unklar. Die letzten größeren Arbeiten hatten vor zwei Jahren stattgefunden. Derzeit gibt es laut Polizei keine Arbeiten, die den Einsturz hätten auslösen können.
Eines der größten Stadtarchive Deutschlands
Das Historische Archiv der Stadt Köln gilt als eines der größten Stadtarchive Deutschlands. Das Archiv umfasst Dokumente aus über tausend Jahren Kölner und rheinischer Geschichte, unter anderem 65 000 Urkunden, 104 000 Karten und eine halbe Million Fotos.
Auch zahlreiche Nachlässe, darunter der des Schriftstellers Heinrich Böll, befinden sich in dem Archiv. Die früheste Urkunde stammt aus dem Jahr 922. Das Gebäude in der Severinstraße wurde 1971 für das Archiv gebaut.
Abteilungsleiter: Einsturz des Stadtarchiv-Gebäudes war vorhersehbar
Historisches Stadtarchiv in Köln eingestürzt
Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln hat der langjährige Abteilungsleiter Eberhard Illner schwere Vorwürfe erhoben. Der Einsturz des Gebäudes sei eine absehbare Katastrophe gewesen, sagte Illner am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Es habe vorher klare Warnungen gegeben.
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