US-Forschern ist es nach eigenen Angaben zum ersten Mal gelungen, menschliche Hautzellen in embryonale Stammzellen umzuwandeln. Sie glauben, dass dies helfen könnte, schwere Krankheiten zu bekämpfen. domradio.de hat darüber mit dem Freiburger Moraltheologen Professor Eberhard Schockenhoff gesprochen.
domradio.de: Wie schätzen sie die veröffentlichten Ergebnisse der US-Forscher ein?
Schockenhoff: Sie fallen in eine Zeit, in der man gar nicht mehr damit gerechnet hatte. Das Klonen des Schafes Dolly liegt ja jetzt schon einige Zeit zurück, das war im Jahr 1997. Damals war das wirklich ein spektakulärer Paukenschlag. Seitdem konnte man viele Tierarten klonen, aber die Zellen von Menschen schienen irgendwie gegen diese Technik resistent, sie schienen sich als unklonierbar zu erweisen. Deshalb haben viele Forschergruppen sich auch auf die Suche nach anderen Lösungen gemacht, und insbesondere seit der Entdeckung der sogenannten induzierten pluripotenten Zellen - für die im vergangenen Jahr zwei Forscher mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurden - erscheint es auch gar nicht mehr so vordringlich, selbst aus wissenschaftlicher Sicht.
Die biomedizinische Forschung beurteilt in weiten Teilen das Potential dieser iPS-Zellen sehr positiv, und das würde bedeuten, dass man geklonte oder aus einem Klon-Embryo hervorgehende Stammzell-Linien nicht mehr in der Dringlichkeit benötigt, um mögliche therapeutische Heilerfolge einmal in Zukunft erzielen zu können. Die Nachricht kommt also etwas zu einem falschen Zeitpunkt und deshalb ist die Resonanz innerhalb der Scientific Community auch eher verhalten.
domradio.de: Die Angst vor dem Klonen ist groß – vielen Menschen ist es unheimlich. Es ist zwar in allernächster Zukunft unwahrscheinlich, dass Menschen geklont werden können, doch ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Was genau ist daran problematisch?
Schockenhoff: Dieser Artikel in der Zeitschrift "Cells" liest sich wie eine Rezeptur, eine Gebrauchsanweisung zum Menschen klonen. Das ist, wie es dort beschrieben ist, relativ einfach. Die Hindernisse, die man bisher gesehen hat, lassen sich umgehen - das zeigt diese Publikation. Das heißt nun, wenn dieses Wissen vorhanden ist, kann es in allen Labors der Welt auch angewandt werden. Dass das dann nur darauf beschränkt sein wird, Blastocysten zu erzeugen, aus denen man Stammzellenlinien bilden kann, um dabei die Klon-Embryonen wieder zu zerstören - das ist eine Hoffnung, wobei niemand weiß, ob sie sich einlöst. Denn die andere Variante, das sogenannte reproduktive Klonen, dass also erwachsene Menschen hergestellt werden, das verursacht ja die meisten Ängste bei den Menschen.
Und zwar völlig zu Recht, das wäre eine Vorstellung, die mit der Menschenwürde völlig unvereinbar ist, dass man wegen der Vorzüge eines anderen Menschen willen ein Exemplar herstellt, dem man dann sozusagen die Identität, im Guten und im Bösen, eines schon bekannten Menschen aufzwingen würde, und ihn bis in seine genetische Identität nach dem Willen seiner Erzeuger bilden würde. Das wäre mit der Anerkennung der Menschenwürde, die ja dem Menschen jeweils in seinem unverfügbaren So-Sein, wie von sich aus, auch aufgrund des biologischen Zufalls seiner Natur ist, gelten muss, völlig unvereinbar. Da gibt es zwar in der Weltgemeinschaft, in der Völkergemeinschaft, weithin einen Konsens, dass das universal geächtet ist - aber richtig, mit klaren rechtlichen Sanktionen belegt, ist das nur in wenigen Ländern, so dass durchaus auch damit zu rechnen ist, dass dieses Wissen aus der Gebrauchsanweisung für das sogenannte therapeutische Klonen dann auch einmal sozusagen unter der Hand auch benutzt werden kann für das reproduktive Klonen. Das ist zumindest mit dieser Entdeckung einen Schritt näher gekommen.
domradio.de: Können Sie noch einmal darauf eingehen, was am Klonen so beängstigend ist? Wenn man mal auf die Seele des geklonten Menschen schaut - die wird sich ja immer von der anderer unterscheiden. Auch wenn Äußerlichkeiten identisch scheinen.
Schockenhoff: Es ist richtig, dass sich die personale Identität eines Menschen nicht allein aus seinem genetischen Erbe errechnet. Aber das genetische Erbe gibt sozusagen den biologischen Spielraum vor, innerhalb dessen sich die Einzigartigkeit eines Menschen entfalten muss. Und dieser biologische Spielraum ist eben auch eine Grenze, und das würde einem anderen Menschen vorgegeben, das würde ihm aufgezwungen. Dadurch wäre der Andere nicht mehr frei, seine eigene Existenz zu leben, sondern er würde - jedenfalls auf der biologischen Ebene, auf der körperlichen Ebene - das Modell noch einmal nachahmen müssen, dazu wäre er gezwungen, das in der Klon-Kopie oder dem Original vorgezeichnet ist.
Und als Kopie eines Anderen existieren zu müssen, jedenfalls was die biologischen Faktoren der eigenen Existenz anbelangt, das ist mit der Würde unvereinbar. Dazu gehört notwendig auch der biologische Zufall, weil nur er garantieren kann, dass wir nicht von der Manipulation durch die Interessen anderer her leben, und nicht durch sie geprägt sind, sondern wirklich unser eigene freies Leben leben dürfen.
domradio.de: Meinen Sie, darüber besteht auch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft ein Konsens?
Schockenhoff: Also in der Wissenschafts-Gemeinschaft wird die Ablehnung des reproduktiven Klonens weithin geteilt, auch in Blick auf diese andere Variante, die man irrtümlicherweise das therapeutische Klonen nennt. Denn therapiert wird damit bislang überhaupt nichts, das ist eine entfernte Zielsetzung. Also man könnte es das "Forschungsklonen" nennen, und auch in Hinblick darauf ist sich die Community einig, dass es nicht mehr die Dringlichkeit hat, die man dem noch vor wenigen Jahren zubilligte. Allerdings teilen nicht alle die positive Einschätzung, dass das große Potential der iPS-Zellen, dass sie auch so eine Art Alleskönner sind, und deshalb eigentlich für die erhoffte klinische Anwendung genügen würden - da kommen nicht alle Forschergruppen zu der gleichen Einschätzung. Es gibt durchaus auch einzelnen, die noch voll auf die embryonalen Stammzellen setzen, und dann speziell auf Stammzellenlinien, die eben aus Klonembryonen gewonnen wurden.
domradio.de: Wie zum Beispiel der Forschungsleiter Shoukhrat Mitalipov. Er erklärt: „Das bekannteste Beispiel ist Parkinson. Die Krankheit wird verursacht, weil ein Typ von Neuronen fehlerhaft ist und keine Chemikalien herstellen kann. Bei vielen Patienten sind diese Zellen einfach abgestorben. Jetzt können wir lernen, wie man diese Neuronen produzieren kann, die dann für genügend Chemikalien sorgen, und können die den Patienten einpflanzen." Muss man nicht auch die Möglichkeiten im Einzelfall testen, die es erlauben, Krankheiten zu heilen?
Schockenhoff: Die Ankündigung dieses Forschers ist etwas vollmundig. Dass wir jetzt unmittelbar vor dem Durchbruch stehen, Parkinson heilen zu können - diese Einschätzung teilt kaum einer der seriösen Forscher. Natürlich ist es Aufgabe der Grundlagenforschung und der prä-klinischen Forschung, auch die Entstehungsmechanismen von Parkinson zu erforschen. Und das ist auf unterschiedlichen Wegen möglich. Das kann man natürlich auch mit diesen Stammzelllininen, die man aus Klon-Embryonen gewinnt, aber dass das ein besonders erfolgreicher Weg wäre, oder gar der einzig mögliche - das wird kaum angenommen.
(Das Interview führte Christian Schlegel.)