domradio.de: Die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland ist bislang nicht verboten. Sie wollen jetzt weitergehen. Warum?
Michael Brand (CDU-Politiker): Wir wollen die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verbieten, weil sich ein neues Phänomen in Deutschland aufgemacht hat. Es gibt nämlich die sogenannten Sterbehilfevereine, die ein Geschäft mit dem Tod machen und wir wollen nicht, dass diese geschäftsmäßigen Angebote sich in Deutschland ausbreiten. Deswegen gibt es hier eine Regelungslücke, die wir schließen wollen.
domradio.de: Betreiber von Sterbehilfevereinen argumentieren, jeder Mensch habe das Recht auf einen selbstbestimmten Tod - was sagen Sie zu Menschen, die nicht mehr leben wollen und Hilfe zur Selbsttötung brauchen?
Michael Brand: Wir haben in unserem Gesetzesentwurf zwei Elemente. Wir wollen den Missbrauch da stoppen, wo ein geschäftsmäßiges Angebot gemacht wird, denn auch bei der Sterbehilfe schafft Angebot Nachfrage. Auf der anderen Seite wollen wir die Hilfen stark ausbauen. Damit ist unser Ziel im Gesetz gut beschrieben: Missbrauch stoppen, Hilfen stark ausbauen. Wir sind nicht der Meinung, dass der schnelle Exit, der schnelle Ausgang, der richtige Weg ist. Wir müssen eher über die Alternativen sprechen. Die Hospizversorgung, die Palliativversorgung, die müssen wir in Deutschland stärken.
Aber eines ist klar, wir dürfen doch nicht auf die technisierten Antworten, das Leben schnell zu beenden, setzen, sondern wir müssen auf die menschlichen Alternativen setzen und der Menschlichkeit zum Durchbruch verhelfen. Übrigens: Auch Zeit, Einsamkeit sind große Themen, die die Menschen beschäftigen und deswegen ist es gefährlich, wenn man Sterbehilfevereinen, die ein Geschäft mit dem Tod machen, Einhalt gebietet. Die Entwicklungen in den Nachbarländern wie Belgien und Holland, in denen Töten auf Verlangen erlaubt ist, haben nämlich gezeigt, dass die Zahlen rasant steigen. Wir wollen aber die Hilfen stärken und nicht den schnellen Tod.
domradio.de: Es gibt ja mehrere Vorschläge. Karl Lauterbach von der SPD will eine andere Lösung. Er warnt vor einer Kriminalisierung der Ärzte. Sie seien vom Verbot der gewerbsmäßigen Beihilfe ebenfalls betroffen. Sie sagen, bei Ärzten sei es einer Einzelfallentscheidung, die nicht sanktioniert werde. Wie wird das nach ihrer Vorstellung in der Praxis funktionieren?
Michael Brand: Also erstens ist das ein gezieltes Zerrbild, was vor der Abstimmung Abgeordnete und Ärzte verunsichern soll. Wir haben eine chirurgisch präzise Regelung gefunden, die eine Kriminalisierung von Ärzten ausschließt. Wir sind in diesem Antrag von diesen vier Gruppen der Weg der Mitte. Wir wollen weder auf der einen noch auf der anderen Seite über das Ziel hinausschießen. Deswegen haben wir uns entschieden, die Beihilfe zum Suizid, die seit 1871 straffrei ist, auch straffrei zu lassen. Auf der anderen Seite wollen wir keine Öffnung hin zum ärztlich assistierten Suizid, weil die erdrückende Mehrheit der Ärzte sich dagegen wehrt, dass man damit eine Tür öffnet. Denn das ist unsere Befürchtung, wenn wir hier eine Tür öffnen würden, die Karl Lauterbach, Peter Hintze, Renate Künast und Frau Sitte von den Linken befürworten, auch Renate Künast, dass wir diese nicht mehr schließen können und durch die am Ende auch Menschen durchgeschoben werden können, die da nicht durch wollen.
Die entscheidende Frage ist doch, wie wirken eigentlich geschäftsmäßige Angebote der Suizidbeihilfe auf diejenigen, die schwach sind in einer Gesellschaft, die sich als Last empfinden. Genau da dürfen wir den Druck nicht erhöhen, sondern müssen den Druck nehmen, damit die Selbstbestimmung ihren Durchbruch findet. Diese geschäftsmäßigen Angebote und diejenigen, die den Suizid auch zum Teil als Geschäftsmodell propagieren, die sorgen nämlich dafür, dass es am Ende in den schwierigen Phasen keine Selbstbestimmung mehr gibt. Genau deswegen müssen wir die Last nehmen und die Alternativen ausbauen und dürfen nicht über Medikamentencocktails und Spritzen diskutieren. Das würde das Thema komplett verengen und würde Leute weiter verängstigen.
domradio.de: Ob es ein neues Gesetz überhaupt gibt, ist ja jetzt noch offen. Morgen befasst sich das Parlament vorab mit den geplanten Verbesserungen für Palliativmedizin und Hospizversorgung. Werden die anvisierten Maßnahmen für eine tatsächliche Verbesserung reichen?
Michael Brand: Es ist ein großer Schritt. Also die Verbände haben in der Breite bei der Anhörung im deutschen Bundestag diese Vorschläge vom Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe begrüßt. Da sind wir uns auch alle einig im Parlament und alle Gruppen, dass das ein wichtiger Schritt ist. Es wird viele neue Angebote geben, weil eines ist natürlich wahr: Ich kann nicht sagen, es gibt die gute Palliativmedizin und die Hospizversorgung, aber bei dir vor Ort leider nicht. Deswegen wollen wir den zweiten Schritt machen. Das wird nicht alles auf einmal gehen und deswegen wird das Thema mit morgen und übermorgen sicherlich nicht von der Tagesordnung verschwinden.
Ich sage ihnen aber auch: Für uns sind diese Verbesserungen eigentlich die wichtigeren Bereiche und die rechtlichen Regelungen sind die notwendigen, die man dazu noch treffen muss. Aber ich will auch darauf hinweisen, dass sich alle wesentlichen Palliativverbände (Deutsche Palliativstiftung, Deutsche Stiftung Patientenschutz, Herr Radbruch von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin) für unseren Antrag geäußert haben und davor warnen, dass der deutsche Bundestag keine Regelung trifft. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, der Präsident des Zentralrates der Juden, Herr Schuster, der selbst niedergelassener Arzt ist, Kardinal Marx und Heinrich Bedford-Strohm sie alle haben sich zu unserem Antrag bekannt. Die Ersten, die ich genannt habe, sind alles Ärzte und wenn die befürchten müssen, dass sie kriminalisiert würden, würden sie sicherlich nicht unseren Antrag unterstützen und deswegen können sie diesen Vorwurf zur Seite schieben, weil die Betroffenen selbst diese Regelung fordern. Ich finde, dass das das stärkste Argument ist.
Das Gespräch führte Mathias Peter.