ACHTUNG: DOMRADIO.DE überträgt am Sonntag, 23. Dezember 2018 ab 19 Uhr live in Bild und Ton: "Loss mer Weihnachtsleeder singe" aus dem Rhein-Energie-Stadion Köln!
Die meisten der heute noch populären festlichen Weihnachtslieder entstanden im 18. oder 19. Jahrhundert. Aber natürlich haben die Menschen auch in früheren Zeiten das Fest der Geburt Jesu musikalisch begleitet. Schon im vierten Jahrhundert verfasste Bischof Ambrosius aus Mailand seinen Hymnus "Veni redemptor gentium" ("Komm, Erlöser der Völker") - da war das Weihnachtsfest, wie wir es heute kennen, erst wenige Jahrzehnte alt.
Latein blieb auch zum Fest der Feste lange die Sprache der Kirche, wie der Leiter des Hildesheimer Instituts für Liturgie und Alltagskultur, Guido Fuchs, erläutert. Das Deutsche spielte, wenn überhaupt, die zweite Geige. In frühen Volksgesängen wie der "Mischpoesie" von "In dulci jubilo, nun singet und seid froh" klinge das noch an, so der Experte. Die verfolgbare Geschichte dieser Komposition reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Die "Wer wird Millionär?"-taugliche Frage lautet aber nun: Welches ist das zumindest nach derzeitigem Forschungsstand älteste Weihnachtslied in ausschließlich deutscher Sprache, das heute noch gesungen wird?
"Sei uns willkommen Herre Christ"
"Es kommt ein Schiff geladen" wäre ein aussichtsreicher Kandidat. Zugeschrieben wird es dem Mystiker Johannes Tauler (um 1300 bis 1361), der in Straßburg wirkte. Die Aussicht auf den Rhein mag den Dominikanermönch zu dem Vergleich zwischen einem mit Waren beladenen Schiff und der schwangeren Gottesmutter animiert haben: "Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein' höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort." Bildhafte Zeilen, die jedoch nicht ganz für den ersten Platz reichen.
Den nimmt "Sei uns willkommen Herre Christ" - "Syt willekomen Heire Kirst" ein. "Es reicht", so erklärt Guido Fuchs, "zumindest in Teilen bis in das 11. Jahrhundert zurück." Und wäre damit rund 1.000 Jahre alt. Die Geschichte hinter dem Lied, dessen vollständige Melodie aus dem späten 14. Jahrhundert stammt, findet sich laut Fuchs in einer alten Handschrift aus Aachen. In der Kaiserstadt versammelten sich anno dazumal die Schöffen, die mit Aufgaben der Rechtsprechung und Verwaltung betraut waren, am Heiligen Abend zum Gottesdienst im Dom. Dort stimmte der Schöffenmeister nach der Lesung des Evangeliums den Willkommensgruß für Christus an.
"Warum sich die Schöffen am Abend vor dem Weihnachtstag versammelten, hängt mit dessen Stellung im damaligen Jahr zusammen", führt Fuchs aus. "Mit dem Weihnachtsfest begann damals das neue Jahr; der Termin war also für das Geschäftsleben wie auch für die meisten Rechtsgeschäfte ein wichtiger Stichtag, an dem auch die Ämter wechselten." Die Schöffen trafen sich daher am Abend vor dem Weihnachtsfest zu einer Sitzung mit anschließendem Gottesdienst und gemeinsamen Essen. "Wir können aus solchen Notizen ablesen, dass die Feier des Weihnachtsfestes und des Heiligabends im hohen und späten Mittelalter noch keinesfalls Vorrang vor anderen gesellschaftlichen Dingen hatte", fasst der Liturgiewissenschaftler zusammen.
Ältestes Lied nicht mehr im Gotteslob
Im neuen Gotteslob wurde das "Sei uns willkommen Herre Christ" nicht mehr aufgenommen. Der Aachener Domchor aber pflegt den alten Brauch weiterhin, wie Domkapellmeister Berthold Botzet mit Stolz in der Stimme betont. "Wir singen das Lied immer noch so, wie es dokumentiert ist." Auch in diesem Jahr wird der alte Gesang zu Heiligabend in seiner ursprünglichen Fassung im Aachener Dom zu hören sein.
Alle Nicht-Aachener mögen sich mit einem anderen Klassiker trösten, der weiterhin im Gotteslob zu finden ist und ebenfalls gern in der Advents- und Weihnachtszeit intoniert wird: "Komm, Du Heiland aller Welt" - eine Übertragung des lateinischen Hymnus von Bischof Ambrosius, für den weiland kein Geringerer als Reformator Martin Luther (1483-1546) verantwortlich zeichnete.