Was ist ein nachsynodales Schreiben?
In einem nachsynodalen Schreiben formuliert der Papst abschließende Positionen zu den bei der Synode von den Bischöfen behandelten Fragen. Bislang haben die Päpste nach den 14 Ordentlichen Generalversammlungen seit 1967 fast immer ein solches Dokument verfasst. Üblicherweise dauerte die Abfassung rund ein Jahr.
Franziskus hat sich also beeilt. Grundlage für seinen Text ist die sogenannte Schluss-Relatio, in denen die Synodenleitung im Oktober die diskutierten Punkte in 94 Abschnitten zusammenfasste. Anschließend wurde über jeden Abschnitt einzeln abgestimmt. Mehrere Paragrafen erhielten dabei nur knapp die erforderliche Zweidrittelmehrheit.
Spannend ist deshalb, wie Papst Franziskus in seinem Schreiben mit diesen Abschnitten umgeht. Insgesamt haben die Bischöfe dem Papst einen recht großen Spielraum zur Formulierung seiner eigenen Schlussfolgerungen gelassen.
Welche Verbindlichkeit hat der Text?
Ein nachsynodales Schreiben ist Ausdruck des päpstlichen Lehramts.
Das heißt, die sogenannte Exhortation (lateinisch "Ermutigung") hat lehrmäßigen, also verbindlichen Charakter. Die Gläubigen können sich vor einem Priester darauf berufen. Ein Sonderfall ist dieses Mal, dass es bereits in der Vergangenheit eine Bischofssynode zum selben Thema, Ehe und Familie, gegeben hat. Dazu veröffentlichte Johannes Paul II. 1981 das Schreiben "Familiaris consortio", in dem er die kirchliche Haltung etwa zur Ehe- und Sexualmoral ausführlich darlegte. Inwiefern Franziskus neue Akzente setzen und Weiterentwicklungen formulieren wird, zählt zu den Unbekannten des bevorstehenden Textes.
Welche Punkte waren bei der Synode umstritten?
Größter Streitpunkt der Bischofsversammlungen 2014/15 war der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Eine beträchtliche Zahl der Teilnehmer, darunter auch die deutschen Vertreter, plädierte dafür, die Betroffenen in Einzelfällen und unter bestimmten Voraussetzungen wieder zur Kommunion zuzulassen. Andere betonten, dies würde gegen das Wort Jesu von der Unauflöslichkeit der Ehe verstoßen. Die bisherige Lehre sei unabänderlich, da das Evangelium keine Änderungen zulasse. Im Abschlusspapier einigte man sich auf einen Kompromiss.
Darin ist von der Möglichkeit pastoraler Einzelfallentscheidungen die Rede; die wiederverheirateten Geschiedenen werden jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. Anders als 2014 spielte die Frage unverheiratet zusammenlebender Paare und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften im zweiten Durchgang keine größere Rolle mehr.
Was hat Franziskus bisher zu den strittigen Themen gesagt?
Der Papst hat die Diskussionen der beiden Synoden schweigend verfolgt. Lediglich an deren Beginn und Ende hat er die Teilnehmer unter anderem vor Lagerbildung und Grabenkämpfen gewarnt. Zu den Streitpunkten hat er sich bislang nicht explizit geäußert. Allerdings ließ er durchblicken, dass er beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen gemäß seinem Leitbegriff der Barmherzigkeit pastorale Änderungen favorisiert. Zugleich hat er wiederholt die Unauflösbarkeit katholischer Ehen betont sowie den Wert der traditionellen Familie. Mit seiner Aussage über Schwule und Lesben - "Wer bin ich, sie zu richten?" - hat er aber auch Hoffnungen auf eine stärkere kirchliche Anerkennung für homosexuelle Paare geweckt, die Verantwortung füreinander übernehmen. Beobachter warnen aber gerade in diesem Punkt vor überzogenen Erwartungen.
Vor welchen Herausforderungen steht Franziskus?
Viele Beobachter sehen Franziskus' Fazit zu den Familiensynoden als Nagelprobe für seinen Anspruch auf Veränderungen in der Kirche. Der Papst muss lehrmäßige Aussagen für eine Weltkirche treffen, in der die Meinungen von Ortskirche zu Ortskirche, etwa zwischen westeuropäischen und afrikanischen, teils erheblich voneinander abweichen. Dabei muss er verhindern, dass sich die Kluft zwischen konservativen und progressiven Strömungen weiter vergrößert.
In seinem Schreiben "Evangelii gaudium" hat er klargemacht, dass der Papst nicht in jeder Detailfrage für alle Ortskirchen entscheiden muss. Zum Abschluss der Synode im Oktober 2015 wertete er in einer Predigt das Prinzip der Synodalität erheblich auf. Das nachsynodale Schreiben dürfte daher der Entscheidungsfindung durch die Bischofsversammlungen starkes Gewicht geben.