KNA: Herr Xuereb, wie sieht die aktuelle Arbeit von Moas auf dem Mittelmeer aus?
Xuereb: Im Moment überlegen wir, wo am meisten Hilfe benötigt wird. Bleiben wir in der Ägäis? Oder bewegen wir uns woanders im Mittelmeer? Jetzt sind viele Menschen vor der Küste Ägyptens gestorben. Die Fluchtbewegung ist kein Phänomen, das enden wird, nur weil es ein Abkommen zwischen der EU und der Türkei gibt.
KNA: Wie bewerten Sie dieses Abkommen?
Xuereb: Es wird das Problem nicht lösen. Vielleicht wird sich eine kleine Zahl von Menschen dafür entscheiden, das Mittelmeer nicht zu überqueren. Aber die Situation ist sehr komplex. Und sie muss eher vor Ort - etwa in Syrien - angepackt werden, bevor die Menschen das Land verlassen.
KNA: Hat Moas bereits Auswirkungen des Abkommens bemerkt?
Xuereb: Ja, in den letzten drei Wochen hat es einen Einbruch gegeben. Es sind weniger Menschen von der Türkei nach Griechenland gekommen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass das EU-Türkei-Abkommen keinerlei Einfluss darauf haben wird, dass Menschen weiterhin über das Mittelmeer kommen, zum Beispiel von Libyen. Denn mit Libyen gibt es kein Abkommen - und ein solches wird es auch nicht geben. Zudem sind die Menschen, die über das Mittelmeer kommen, nicht nur Syrer, Afghanen und Iraker, sondern Afrikaner. Von den 150.000 Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr mit dem Boot gekommen sind, war nur ein kleiner Prozentteil aus Syrien. Deshalb hat das Abkommen auf die meisten Bootsflüchtlinge keine Auswirkung.
KNA: Zum Sommer hin werden sich mit den höheren Temperaturen wieder mehr Menschen auf den Weg machen, oder?
Xuereb: Auf jeden Fall, vor allem auf der Mittelmeerroute zwischen Libyen und Europa. Am nächsten liegen hier Lampedusa und Malta. Normalerweise organisieren Migranten und auch Schmuggler die Überfahrten, wenn sie wissen, dass das Wetter besser wird. Jetzt gab es schon im Winter Überquerungen, die sonst erst ab April/Mai herum anfangen. Im März dieses Jahres kamen zwei- bis dreihundert Prozent mehr Menschen nach Europa als im vorigen Jahr. Deshalb habe ich keinen Zweifel, dass im Sommer eine weitere schwierige Herausforderung auf uns zukommt.
KNA: Moas hat nun seinen Tätigkeitsbereich auf Südostasien ausgeweitet, wo ethnische Minderheiten sich ebenfalls in Booten auf den Weg machen. Welche Schwierigkeiten gibt es dort?
Xuereb: Wir haben gelernt, dass die Herausforderungen in Südostasien ganz andere sind. Es ist tatsächlich schwieriger, bei der Seenotrettung mit staatlichen Instanzen zusammenzuarbeiten. So konnten wir dort über vier Wochen lang unsere Drohnen nicht benutzen, die ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Mission sind.
KNA: Bekommen Sie genug Unterstützung?
Xuereb: Vor ein paar Jahren war Moas die erste private Organisation, die hinausging und Menschen rettete. Jetzt sind wir nicht mehr die einzigen. Es gibt viele andere. Im vergangenen Jahr kamen immer mehr Boote, um uns zu unterstützen. Und auch dieses Jahr werden noch mehr dazukommen. Das ist alles sehr positiv. Im Mittelmeer gibt es staatlich finanzierte Schiffe, irische Kriegsschiffe, Boote der EU-Grenzschutzbehörde Frontex, die italienische Küstenwache - da ist also eine große Gruppe von Menschen, die auf ein Ziel hinarbeitet. Aber wir von Moas gehen dort hinaus und wissen nicht, ob wir genug finanzielle Mittel bis zum Ende des Sommers haben.
Das Interview führte Melanie Pies.