Pell hatte Anfang Dezember einen Audit-Vertrag mit dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers geschlossen. Jetzt beginnen Spekulationen, ob das Projekt einer Kurienreform als solches einen Schlag abbekommen hat.
Der Kontrakt mit PricewaterhouseCoopers, angeblich mit einem Umfang von rund drei Millionen Euro für drei Jahre, sah Beobachtern zufolge vor, dass externe Prüfer die Bilanzen der einzelnen vatikanischen Behörden durchleuchten. Nach einer ersten Bestandsaufnahme im März sollte, so heißt es, eine Auswertung den Spitzen des vatikanischen Wirtschaftsrats im Juni vorgelegt werden.
Zu diesem Zweck wies Pell laut Medienberichten mit zwei Schreiben am 20. und 23. Februar die Vatikan-Einrichtungen an, den Prüfern von PricewaterhouseCoopers Zugang zu allen erforderlichen Daten zu gewähren. Gleichfalls sollten die Fachleute Steuerberater, Juristen und Schatzmeister der Abteilungen kontaktieren dürfen.
Zusammenarbeit mit Wirtschaftsprüfungsunternehmen ausgesetzt
Doch kurz darauf erging ein weiteres Rundschreiben, diesmal unterzeichnet von Erzbischof Angelo Becciu, Substitut des Staatssekretariats und vergleichbar einem Innenminister. Jetzt erfuhren die Dikasterien, die Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers sei mit unmittelbarer Wirkung ausgesetzt, und zwar auf höhere Anordnung. Damit konnte nur Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin gemeint sein.
Wie das Internetportal "Vatican Insider" unter Berufung auf ungenannte vatikanische Quellen berichtete, sollen für den abrupten Halt nicht Uneinigkeiten zwischen dem Auftraggeber und dem Bilanzprüfungsunternehmen verantwortlich sein, sondern Fragen des Verfahrens und der Zuständigkeiten; Pell gerät so unter den Eindruck, er habe seine Kompetenzen überschritten.
Becciu selber betonte, die Bilanzprüfung sei nur ausgesetzt, nicht abgeblasen. Ein paar Punkte des Vertrags seien zu revidieren, und der Auftrag selbst sei "nicht von der zuständigen Einrichtung unterzeichnet" worden. Auch das Wirtschaftssekretariat äußerte die Einschätzung, die Arbeit der Prüfer werde bald fortgesetzt.
Deutung des Vorgangs wirft Fragen auf
Wie der Vorgang zu deuten ist, darüber sind sich Kommentatoren uneins. Nach einer Lesart handelt es sich um ein rein formales Problem, verursacht durch eine Unklarheit, welche Amtswege in dieser Phase der Kurienreform einzuhalten sind. Andere sehen darin einen Versuch von Kurienchefs, das Wirtschaftssekretariat und den gesamten Reformprozess auszubremsen.
Pell selbst ist in einer zugleich machtvollen und prekären Situation: Persönlich steht er durch Missbrauchsuntersuchungen in seinem früheren Bistum Ballarat unter Druck. Im Juni wird er 75 und muss dem Papst seinen Rücktritt anbieten, wenngleich nicht damit zu rechnen ist, dass Franziskus ihn vor Ablauf des Mandats 2019 entlässt.
Die Statuten von Pells Behörde sehen die Einführung internationaler Transparenzstandards vor; aber das stellt einen Bruch mit einer jahrhundertealten Kurientradition dar. Bevor die Vatikanfinanzen klarer werden, muss, wie es scheint, der Vatikan erst intern ein paar Dinge klären.