Am Schlusstag regnete es in Rio de Janeiro, der Himmel schien zu weinen. Auch den brasilianischen TV-Kommentatoren stand nach dem Erlöschen des olympischen Feuers am Sonntagabend Wasser in den Augen. Olympia ist vorbei, und alle sind traurig. Nur die Cariocas, die Bewohner Rios, sind froh, endlich wieder ihre Stadt und ihr normales Leben für sich zu haben. Bis dann Anfang September mit den Paralympics (7. bis 18. September) der sportliche Nachschlag kommt.
Rio ist müde
Mit Olympia endet eine fast zehnjährige Serie von Mega-Events in Rio. Die Panamerikanischen Spiele 2007, die UN-Konferenz "Rio+20" 2012, der katholische Weltjugendtag und der FIFA ConFedCup 2013, die Fußball-WM 2014 - und jetzt Olympia 2016. Nach jahrelangem Erdulden von Baustellen und Staus, von Umbauten und Umsiedlungen sind die Bürger müde - und dank der derzeitigen Wirtschaftsflaute die Staatskassen leer. Geld und olympischer Geist für die Paralympics ist nach Jahren des vorolympischen Ausnahmezustands nicht mehr ausreichend vorhanden. Zuletzt wurde gar über eine Absage des Events spekuliert.
Am Donnerstag begrub jedoch Interims-Staatspräsident Michel Temer nach einer Krisensitzung im Olympiapark solche Spekulationen. Der Bund schießt etwa die Hälfte der im paralympischen Haushalt fehlenden 54 Millionen Euro zu. Dafür verlangt Temer von der Bevölkerung die "gleiche Präsenz, das gleiche Mitfiebern und den gleichen Enthusiasmus wie bei der Olympia-Eröffnungsfeier und den gesamten Spielen." Dabei war Temer selbst bei der Eröffnung doch derart ausgepfiffen worden, dass er der Schlussfeier gleich fernblieb.
Paralympics vor leeren Rängen?
"Die Paralympics sind eine sehr wichtige Veranstaltung, und ich habe sogar mehr Respekt vor den behinderten Sportlern", sagt eine ältere Dame am Schlusstag auf dem überfüllten "Olympischen Boulevard". Eintrittskarten für die Paralympics habe sie bislang aber nicht gekauft; sie werde wohl keine Zeit haben hinzugehen. Die gleiche Äußerung ist fast wörtlich bei allen Befragten zu hören: Respekt, aber kein wirkliches Interesse, dabei zu sein.
Der "Olympische Boulevard" ist Rios neue Flaniermeile im umgestalteten Hafenviertel. Am Schlusswochenende verfolgten hier bis zu eine Million Menschen die letzten Medaillenentscheidungen auf riesigen Videoleinwänden. Gleichzeitig waren die Tribünen in den Arenen nur halb gefüllt. Der Kartenverkauf bei Olympia war enttäuschend, bei den Paralympics droht ein Fiasko - obwohl Brasilien bei den Paralympics stets zu den erfolgreichsten Teams zählt.
"Bisher wurden praktisch keine Eintrittskarten verkauft", teilte Bürgermeister Eduardo Paes am Freitag besorgt mit. Nur 300.000 von ursprünglich mehr als drei Millionen Tickets wurden abgesetzt. Nun gibt es Sonderangebote; die günstigsten Karten kosten unter zwei Euro. Ohne den Ticketerlös tragen sich die Kosten nicht, auch weil eingeplante Sponsorengelder ausblieben. Genau wie der Bund will nun auch Paes aushelfen. Doch noch ist fraglich, ob die Stadt rechtlich überhaupt die Finanzspritze ansetzen darf.
Kostenersparnis an allen Ecken
Die Zeit drängt. Die Teilnahme von zehn Delegationen sei ohne den von den Organisatoren versprochenen Reisekostenzuschuss fraglich, gab Paralympics-Chef Philip Craven am Wochenende bekannt. Niemals in der 56-jährigen Geschichte des Events habe es derartige finanzielle und organisatorische Probleme gegeben.
Rund 4.500 Athleten aus 176 Ländern werden zu den Wettkämpfen in 23 Sportarten erwartet. Nun werden Wettkämpfe aus dem Olympiapark in Deodoro in die Arenen in Barra verlegt. Dadurch könne man bei Personal und Transportkosten sparen. Doch auch die freiwilligen Helfer machen Sorgen. Bei Olympia waren rund 30 Prozent ferngeblieben - ein schlechtes Omen für die Paralympics.
Olympia war für die Brasilianer eine zweiwöchige Auszeit von der Realität, der drohenden Absetzung von Staatspräsidentin Dilma Rousseff und der massiven Wirtschaftskrise. Nun kommt die politische Polarisierung zurück. Interimspräsident Temer witzelte bereits, man möge sich die Pfiffe gegen ihn für die Eröffnung der Paralympics aufsparen.