Die rund drei Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden ab Mitte Oktober darüber informiert, in welchen Pflegegrad sie künftig eingruppiert werden. Das teilten die Krankenkassen am Mittwoch in Berlin mit. Am 1. Januar tritt die nächste Stufe der Pflegereform in Kraft. Insbesondere 1,6 Millionen Demenzkranke sollen dann mehr Leistungen erhalten. Leistungsempfänger werden dann nicht mehr in die seit 20 Jahren gültigen drei Pflegestufen eingruppiert, sondern in fünf Pflegegrade.
Ohne Antrag - ohne Begutachtung
"Alle Versicherten, die am 31. Dezember 2016 bereits Leistungen der Pflegeversicherung beziehen, werden am 1. Januar 2017 ohne neue Antragstellung und ohne erneute Begutachtung aus den bisherigen Pflegestufen in die neuen Pflegegrade übergeleitet", beruhigen die Kassen. "Mit der Umstellung wird das System gerechter, denn künftig richtet sich die Leistungshöhe der Pflegeversicherung danach, was ein Pflegebedürftiger tatsächlich noch selber kann und was nicht", sagte Gernot Kiefer, Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Die Vorarbeiten verliefen planmäßig.
Die Bundesregierung hat versprochen, dass bei der Eingruppierung in die neuen Pflegegrade niemand schlechter gestellt werden soll. Es gebe einen Bestandsschutz, so Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Anpassungen zwischen den heutigen Pflegestufen und den künftigen Pflegegraden gebe es nur nach oben.
Bei der Überleitung zu den neuen Pflegegraden gilt der Grundsatz, dass Pflegebedürftige mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen anstelle der bisherigen Pflegestufe den nächsthöheren Pflegegrad erhalten. Pflegebedürftige, bei denen eine eingeschränkte Alltagskompetenz festgestellt wurde, werden zwei Pflegegrade höher eingestuft.
Zu den bisherigen drei Millionen Empfängern von Leistungen der Pflegeversicherung kommen dann rund 200.000 Personen hinzu, die im kommenden Jahr allein durch den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zusätzlich einen Anspruch auf Leistungen haben werden. Das Bundesgesundheitsministerium geht mittelfristig von bis zu 500.000 Personen aus. Andererseits warnt die Deutsche Stiftung Patientenschutz, für Pflegebedürftige mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen werde es künftig schwieriger, einen Pflegegrad zugesprochen zu bekommen.
Bereits jetzt mit Reform vertraut machen
Die Patientenschützer raten Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen, sich schon heute mit der Reform vertraut zu machen. So änderten sich auch die Regelungen zur Kostenbeteiligung in Heimen. Bisher galt: Niedrige Pflegestufe, niedriger Eigenanteil, höhere Pflegestufe, höherer Eigenanteil. Künftig aber zahlt jeder Heimbewohner, unabhängig vom Grad seiner Pflegebedürftigkeit, einen festen Eigenanteil. Dieser Betrag wird für alle Bewohner eines Heimes einheitlich ermittelt. Insbesondere Heimbewohnern mit niedriger Pflegestufe drohen nach Angaben des Vorstands der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, Mehrbelastungen von bis zu mehreren hundert Euro pro Monat.
Solche Berechnungen zeigen, dass der Beratungsbedarf zunehmen dürfte. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, forderte deshalb am Mittwoch eine bessere Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen. "Wir brauchen eine zentrale Anlaufstelle für die Pflegeberatung und keinen Flickenteppich aus verschiedenen Beratungsangeboten", sagte sie. "Diese Anlaufstelle sollte ein fachlich umfassend besetzter Pflegestützpunkt sein."
Auch die Bundesregierung will die Beratung verbessern. Gesundheitsminister Gröhe will insbesondere dafür sorgen, dass Städte, Landkreise und Gemeinden wieder mehr Kompetenzen bei der Planung und Organisation von Pflegeangeboten erhalten. Ziel ist "eine Pflegeberatung aus einer Hand". "Gute Pflege findet zu allererst vor Ort, in den Kommunen statt", hat Gröhe mehrfach betont. Wichtig sei, dass Pflegekassen und kommunale
Hilfs- und Betreuungsangebote gut zusammenarbeiteten und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse vor Ort reagieren könnten. Sozialräume, etwa die Stadtviertel, müssten so entwickelt werden, dass pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrem gewohnten Umfeld bleiben könnten.