Heißt es nun: "Die Jungfrau wird einen Sohn gebären" oder "Die junge Frau wird einen Sohn gebären"? Bibel-Übersetzungen haben es in sich, weil es nicht nur um Grammatik und Worte geht, sondern - für Gläubige - auch um das Wort Gottes. Wenn die Kirchen in Deutschland deshalb in diesem Herbst nach jahrelangen Vorarbeiten überarbeitete Bibelfassungen vorlegen, sind Diskussionen vorprogrammiert. Am Dienstag stellt die Deutsche Bischofskonferenz bei ihrer Herbstvollversammlung in Fulda die neue katholische Einheitsübersetzung vor.
Wieviel Anpassung an Alltagssprache ist möglich?
Wieviel Treue gegenüber den Ur-Texten ist nötig, wieviel Anpassung an Alltagssprache ist möglich? Schon die frühesten Bibeltexte in Hebräisch, Griechisch und Latein erlauben unterschiedliche Interpretationen. Die Geschichte der Bibelübersetzung ins Deutsche beginnt im 8. Jahrhundert: Mönche wollten die biblische Botschaft in der Sprache oder den Dialekten der Germanen weitergeben. Ob die Volkssprache überhaupt für Religiöses genutzt werden durfte, war umstritten. Die Frankfurter Synode im Jahr 794 entschied, dass man Gott nicht nur in den geheiligten Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein anbeten dürfe.
Zunächst entstanden Wörterbücher. In ihnen, den frühesten Schriftwerken der deutschen Sprache überhaupt, wurden lateinische Begriffe zwischen den Zeilen mit einer althochdeutschen Übersetzung erläutert. Bis ins Hochmittelalter wurden dann zunächst zentrale Gebete und einzelne Bücher der Bibel übersetzt. Als ältestes vollständiges Neues Testament auf Deutsch gilt die Augsburger Pergamenthandschrift aus dem Jahr 1350. Als älteste vollständige Übersetzung des Alten Testaments ist die Wenzelbibel vom Ende des 14. Jahrhunderts erhalten.
Mit der Erfindung des Buchdrucks nahm dann die Verbreitung von deutschsprachigen Bibeln sprunghaft zu. Als erster druckte 1466 der Straßburger Johann Mentelin eine vollständig ins Deutsche übersetzte Bibel. Mehrere Übersetzungen kamen in Umlauf - von sehr unterschiedlicher Qualität.
Luther fing also nicht bei Null an. Das umwerfend Neue war seine Sprachgewalt. Wendungen wie "Perlen vor die Säue werfen" stammen von ihm, wie der Historiker Heinz Schilling in seiner Lutherbiografie betont. Zudem stützte sich der Reformator auf die von den Humanisten wieder entdeckten hebräischen und griechischen Urtexte. Das Neue Testament übersetzte er während seines erzwungenen Aufenthaltes auf der Wartburg. Es erschien 1522; die Übersetzung des Alten Testaments bis 1534.
Luther übte sich in freierer Übersetzung
Textsinn ging Luther vor Wörtlichkeit. Durch freieres Übersetzen, den Sprachrhythmus und Orientierung an der Volkssprache war seine Version besonders eingängig. Bis ins 19. Jahrhundert blieb Luthers Original-Übersetzung in der evangelischen Kirche in Gebrauch. Dann allerdings setzte sich die Erkenntnis durch, dass sein Text für viele nicht mehr verständlich war. 1863 stand eine erste Revision an.
Bis heute gibt es mehrere Neubearbeitungen: Nach dem 2. Weltkrieg kam es zu einer stärkeren Orientierung an der Gegenwartssprache. Die in diesem Herbst zum 500. Reformationsjubiläum erwartete Neufassung soll wieder näher an der Sprache Luthers sein als frühere Versionen.
Der Erfolg der Lutherbibel setzte auch die Katholiken unter Druck: 1527 gab Hieronymus Emser eine Übersetzung des Neuen Testaments heraus. Sie folgte auf weiten Strecken Luthers Ausgabe - ebenso wie Johannes Eck in seiner Übersetzung des Alten und Neuen Testaments 1537.
Deutsches Einheitübersetzung aus den 1970er Jahren
Allerdings gab es in der katholischen Kirche lange keine zentrale deutschsprachige Bibelausgabe - zumal Bischöfe und Priester höchst misstrauisch gegenüber der Bibel-Lektüre der einfachen Gläubigen waren und die Gottesdienste in Latein abgehalten wurden. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) erlaubte den Gebrauch der Muttersprache in der Liturgie und empfahl, neue Bibelübersetzungen zu schaffen.
Daraus entstand für die deutschsprachigen Bistümer die sogenannte Einheitsübersetzung (1972/1974, Revision 1979/80). Neues Testament und Psalmen entstanden in ökumenischer Zusammenarbeit. An der jetzt erscheinenden Neuausgabe allerdings hat sich die evangelische Kirche nicht wieder beteiligt. Für sie bleibt Luther das Maß aller Dinge.