Im Zuge der Aufarbeitung der Misshandlungs- und Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen haben sich bisher 422 mögliche Opfer gemeldet. Das gab der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer am Mittwoch in Regensburg bekannt. Voderholzer trat erstmals gemeinsam mit Betroffenen in der Öffentlichkeit auf. Die Opfervertreter würdigten den Einsatz des Bischofs für eine Aufarbeitung der Übergriffe.
"System der Angst"
Bei dem weltberühmten Knabenchor kam es zwischen 1953 und 1992 in Hunderten Fällen zu körperlicher und sexueller Gewalt. Der Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber untersucht die Vorfälle seit Mai 2015. Der unabhängige Sonderermittler sprach im Januar in einem Zwischenbericht von einem "System der Angst", das jahrzehntelang in den Einrichtungen der Domspatzen geherrscht habe. Seinen Abschlussbericht will er Anfang 2017 vorlegen.
Voderholzer stellte weitere Maßnahmen für eine "effektive und nachhaltige Aufklärung" der Fälle vor. Dazu gehören eine soziologische und eine historische Studie, mit denen die Kriminologische Zentralstelle (KrimZ) von Bund und Ländern in Wiesbaden sowie der Regensburger Historiker Bernhard Löffler beauftragt werden sollen.
Aufruf zu weiteren Meldungen
Der Bischof rief mögliche weitere Opfer auf, sich zu melden und Hilfsangebote wahrzunehmen. Wenn diese kein Vertrauen in die Instanzen der Diözese hätten, könnten sie sich auch an eine unabhängige Anlaufstelle wenden, das Münchner Informationszentrum für Männer (MIM). Voderholzer kündigte zudem an, dass ein sogenanntes Anerkennungsgremium über die Schwere der Fälle und die Höhe von Geldzahlungen entscheiden werde. Der Höchstsatz liege bei 20.000 Euro.
Der Bischof und zwei der Betroffenen äußerten sich als Mitglieder eines Aufarbeitungsgremiums, dem je drei Vertreter von Bistum und Opfern angehören. Die Runde trifft sich seit Frühjahr einmal im Monat im vertraulichen Rahmen. "Ich will alles tun, was in meiner Kraft steht, um durch persönliche Begegnungen Wunden zu heilen", sagte Voderholzer.
Annerkennende Worte für Voderholzer
Alexander Probst und Peter Schmitt als Vertreter der Opfer äußerten sich anerkennend zur Rolle des Bischofs. Die Gespräche seien "von gegenseitigem Respekt geprägt", sagte Probst. "Das kannten wir als Betroffene bisher nicht. Der Bischof habe sich "immer konstruktiv eingebracht", ergänzte Schmitt. Nach seinen Worten wollen die Opfer auch mit Voderholzers Vorgänger Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller sprechen. Müller war von 2002 bis 2012 Regensburger Bischof. Ihm wird vorgeworfen, seinerzeit die Aufarbeitung der Übergriffe bei den Domspatzen verzögert zu haben.
Voderholzer, der seit Januar 2013 Bischof von Regensburg ist, hatte die Opfer wiederholt öffentlich um Vergebung gebeten. Dabei bedauerte er zugleich, dass frühere Versuche einer Selbstkorrektur "zu wenig wirksam" gewesen seien. Auch seien Ausmaß und Schwere der durch nichts zu rechtfertigenden Übergriffe unterschätzt worden.