Fade Entschuldigung für private Treffen mit dem Dalai Lama

Prager Kniefall vor Peking

Tschechische Politiker treffen sich mit dem Dalai Lama - und die gesamte Staatsspitze des Landes solidarisiert sich demonstrativ mit Peking. Kommentatoren sehen darin "die vielleicht größte Schande Tschechiens seit 1989".

Autor/in:
Hans-Jörg Schmidt
Dalai Lama / © Matthias Greve (KNA)
Dalai Lama / © Matthias Greve ( KNA )

Das gab es in Tschechien noch nie: Die vier ranghöchsten Prager Politiker - der Staatspräsident, der Ministerpräsident und die Chefs der beiden Parlamentskammern - veröffentlichten am Mittwoch eine gemeinsame Erklärung. Glücklicherweise war keine Gefahr für das Land im Verzug. Es drohten weder fremde Mächte, noch galt es, den Austritt Tschechiens aus EU und Nato oder ähnlich Schwerwiegendes zu verkünden. Die vier Spitzenpolitiker bekräftigten in besagter Erklärung nur die China-Politik ihres Landes als strategisch partnerschaftlich. Und sie betonten ausdrücklich die "Souveränität und territoriale Integrität" Chinas.

Chinesische Botschafterin drückt Missfallen aus

Vor dieser Erklärung freilich hatte die chinesische Botschafterin laut einem Rundfunkbericht auf der Prager Burg ihr Missfallen über private Begegnungen einiger christdemokratischer Regierungspolitiker an der Moldau mit dem Dalai Lama ausgedrückt. Unter anderen hatte Kulturminister Daniel Herman, katholischer Priester, Totalitarismusforscher und früherer Sprecher der Tschechischen Bischofskonferenz, den geistlichen Führer der Tibeter empfangen.

Herman ist auch für religiöse Kontakte zuständig - und schätzt den Friedensnobelpreisträger als "eine der wenigen moralischen Autoritäten der Welt".

Der Kulturminister sieht sich zudem der Menschenrechtspolitik des 2011 verstorbenen Staatspräsidenten Vaclav Havel verpflichtet. Havel und den Dalai Lama verband eine herzliche Freundschaft. Der Friedensnobelpreisträger aus Tibet war regelmäßig Gast des von Havel initiierten "Forums 2000", das alljährlich über aktuelle Probleme der Welt und über Demokratiefragen debattiert.

Die besonderen Beziehungen des Menschenrechtlers Havel zum Dalai Lama hatte die kommunistische Führung in Peking zähneknirschend hingenommen. Havels Nachfolger Vaclav Klaus und Milos Zeman haben sich dagegen bewusst nie mit dem geistlichen Führer der Tibeter getroffen. Für sie waren und sind gute Geschäfte mit Peking wichtiger.

Zu Ostern hatte Zeman zu diesem Zweck Chinas Staatschef Xi Jinping mit großem Protokoll empfangen. Seinerzeit ging die Polizei gegen Kritiker der chinesischen Menschenrechtspolitik vor. Zeman selbst ist auch wiederholt in China gewesen, um die Wirtschaftskontakte zu vertiefen.

Proteste gegen "Anbiederung"

Dem Vernehmen nach sollen sich neben der chinesischen Botschafterin auch tschechische Firmenchefs, die ins China-Geschäft eingebunden sind, verärgert über die privaten Treffen von Politikern mit dem Dalai Lama geäußert haben. Doch auch der Kotau der ranghöchsten Prager Politiker vor Peking stößt nun auf Widerspruch. So protestierten mehrere Universitäten gegen die "Anbiederung" und hissten demonstrativ tibetische Flaggen auf ihren Gebäuden.

Bürgerliche Oppositionspolitiker beklagten, Tschechien opfere die havelsche Menschenrechtspolitik auf dem Altar guter Geschäfte.

Prager Kommentatoren äußerten sich am Donnerstag entsetzt über die gemeinsame Erklärung der Staatsspitze; sie sprachen von einer "Selbsterniedrigung Tschechiens". Es handele sich um die "vielleicht größte Schande des Landes seit 1989".


Quelle:
KNA