Protestanten und Katholiken sehen nach Pilgerfahrt neuen Schwung

An der gemeinsamen Quelle gestärkt

Nach 500 Jahren der Trennung, nach Konfessionskriegen und Streit, sind leitende deutsche Protestanten und Katholiken zusammen durch das Heilige Land gereist. Sie kamen sich näher und setzten ein Zeichen für die Aussöhnung.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Ein Bild mit Symbolkraft: Man ist sich näher gekommen / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Bild mit Symbolkraft: Man ist sich näher gekommen / © Harald Oppitz ( KNA )

So beschwingt hat man Teilnehmer einer ökumenischen Veranstaltung von führenden Katholiken und Protestanten lange nicht mehr erlebt. Zum Abschluss ihrer einwöchigen Pilgerreise im Heiligen Land - der ersten gemeinsamen in der fast 500-jährigen Geschichte der beiden Kirchen in Deutschland - äußerten sich Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm rundherum positiv und optimistisch.

Neuer Schwung und kleine Wunder

Von einer "geistlichen Erneuerung" an der gemeinsamen Quelle im Heiligen Land berichtete der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm, und der DBK-Vorsitzende Marx pries den "neuen Schwung", der von der Reise ausgehe. Gemeinsam wollten sie dem Papst und dem Lutherischen Weltbund davon berichten. Auf dass der ökumenische Schwung aus Jerusalem auch im fernen schwedischen Lund bei der zentralen Reformationsgedenkfeier ankomme und diese inspiriere.

Gemeinsamer Gang über den Markt / © Harald Oppitz (KNA)
Gemeinsamer Gang über den Markt / © Harald Oppitz ( KNA )

Andere Teilnehmer sprachen gar von einem "kleinen Wunder", das sich in der an Wundergeschichten nicht gerade armen Landschaft zwischen See Genezareth und Bethlehem ereignet habe. Zu dem überkonfessionellen "Wunder" beigetragen hat nicht nur die gute zwischenmenschliche Chemie, von der Magdeburgs katholischer Bischof Gerhard Feige berichtete - derselbe Feige, der sich noch vor wenigen Jahren eher skeptisch über die damals noch nicht klar definierten Inhalte der "Lutherdekade" äußerte. 

Die Bischöfe in der Gedenkstätte Yad Vashem / © Harald Oppitz (KNA)
Die Bischöfe in der Gedenkstätte Yad Vashem / © Harald Oppitz ( KNA )

Entscheidend für die Erfolgsgeschichte im Heiligen Land waren zunächst die gute theologische und geistliche Vorbereitung und die intensiven geistlichen Impulse bei gemeinsamen Gebeten und Gottesdiensten. Die reformierte westfälische Präses Annette Kurschus, die sonst theologisch der katholischen Kirche nicht sehr nahe steht, lobte die geistliche Tiefe der Impulse beider Konfessionen in höchsten Tönen. Sie bekannte, in der gemeinsamen Woche im Heiligen Land eine der intensivsten geistlichen Erfahrungen ihres Lebens gemacht zu haben.

Wechselseitiger Schmerz bei Gottesdiensten

Zur Besonderheit dieser Reise zählte offenbar der Mut, wechselseitig den Schmerz auszuhalten, der fast täglich bei den Gottesdiensten entstand: Bei den katholischen Messfeiern blieben die evangelischen Teilnehmer der Eucharistie fern, und bei den protestantischen Abendmahlfeiern traten die katholischen Bischöfe nicht mit an den Tisch des Herrn. 

Die ökumenische Pilgergruppe vor dem Felsendom in Jerusalem / © Harald Oppitz (KNA)
Die ökumenische Pilgergruppe vor dem Felsendom in Jerusalem / © Harald Oppitz ( KNA )

Ein weiterer Faktor war die Atmosphäre der Zerstrittenheit, des Hasses und der wechselseitigen Gesprächsverweigerung zwischen Juden und Muslimen, die den Bischöfen aus Deutschland insbesondere bei ihrem Besuch am Tempelberg entgegensprang. Bedford-Strohm leitete aus dieser Erfahrung eine umso intensivere Verpflichtung der Christen ab, für eine versöhnte Verschiedenheit im Dialog einzutreten - untereinander, aber auch im virulenten Konflikt der anderen Religionen. 

Gemeinsamer Verkündigungsauftrag

Wie die Bischöfe nun den frischen Schwung von der Quelle in Deutschland umsetzen wollen, wurde zum Abschluss der Reise noch nicht recht deutlich. Kardinal Marx sprach von einem gemeinsamen Verkündigungsauftrag der beiden Kirchen in einem immer säkularer werdenden Land und betonte, die Christen müssten für das Evangelium Zeugnis ablegen - ganz gleich, ob die Gesellschaft die Botschaft nun hören wolle oder nicht. Er betonte, dass die beiden Kirchen nicht nur theologische Papiere erarbeiten müssten, sondern Schritte zu einer sichtbaren Einheit vorschlagen müssten. Bedford-Strohm unterstrich, dass die Kirche fromm und politisch zugleich sein müsse, sonst werde sie ihre Botschaft nicht verkünden können.

Vermutlich wird die kalte Dusche, die auch andere Heiliglandpilger erfahren, wenn sie aus dem mit Glauben, heiligen Orten und Geschichten aufgeladenen Land der Bibel heimkehren in ein religiös wie klimatisch eher frostiges Deutschland, auch den führenden Geistlichen von DBK und EKD nicht erspart bleiben. Ob die im Heiligen Land erfahrene Stärkung nachhaltig ist und die Ökumene sichtbar voranbringt, wird sich schon bald im Reformationsgedenkjahr zeigen, das in wenigen Tagen offiziell beginnt.

Heiliges Land

Blick auf Jerusalem / © Kyrylo Glivin (shutterstock)

Als Heiliges Land wird seit dem vierten Jahrhundert der Teil des Nahen Ostens bezeichnet, in dem sich biblische Geschichte ereignet hat. Die Landnahme des alten Volkes Israel, das Leben und Wirken Jesu und das Urchristentum sind dabei von Bedeutung. In der Regel gelten heute Israel und die autonomen bzw. besetzten Palästinensergebiete als Heiliges Land. Gelegentlich werden auch Teile Jordaniens, Ägyptens, des Libanon sowie zum Teil des Irak und Syriens zum Heiligen Land gerechnet.

Quelle:
KNA