DOMRADIO.DE: Sprechen wir über die Wortwahl. Welche Rolle spielt es, ob ich vom Reformationsjubiläum oder Reformationsgedenken spreche?
Benjamin Lassiwe (Evangelischer Journalist): Als man mit der Vorbereitung begonnen hat, waren diese beiden Begriffe klar definiert: Wer ein Jubiläum feiert, der freut sich, der jubelt. Wer von einem Gedenken spricht, der gedenkt der Toten, der erinnert sich der schmerzhaften Spaltung und sieht das Negative zu erst. Nicht zuletzt durch den Briefwechsel der Vorsitzenden von evangelischer und katholischer Kirche in Deutschland, Landesbischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx, kann man diese zwei Begriffe relativ synonym verwenden. Man redet über das Gleiche.
Für das Jahr 2017 ist ein 'Healing of Memories'-Prozess geplant, der vor hat die schmerzhaften Verwerfungen der Reformationszeit zu benennen, beidseitig zu betrauern, aber auch zu sehen, dass es für beide Seiten etwas zu feiern gibt.
Für die Protestanten den Geburtstag ihrer Kirche und für die Katholiken immerhin jemanden, dessen Lieder inzwischen im Gotteslob stehen und der der eigenen Kirche auch etwas gebracht hat.
DOMRADIO.DE: Für 2017 ist ein "Heilungsprozess" geplant, wie wird der konkret aussehen?
Lassiwe: Wir haben ein Beispiel dafür auf der Ebene des Lutherischen Weltbundes. Da gab es bei der Vollversammlung 2010 in Stuttgart ein 'Healing of Memories' mit den Mennoniten.
Das waren die Täufer der Reformationszeit, die von Lutheranern, Unierten, Katholiken – eigentlich von jedem damals blutig verfolgt wurden, und sich nur durch die Auswanderung nach Amerika halbwegs retten konnten. - Da gab es 2010 einen Versöhnungsgottesdienst, wo man gemeinsam Gott um Vergebung für die Spaltung der Kirchen gebeten hat. Man wusch sich gegenseitig die Füße und setzte Zeichen der gemeinsamen Tauferinnerung. Sowas ähnliches wäre auch für 2017 durchaus denkbar.
Dass man sich gegenseitig um Vergebung bittet und auch symbolisch diese Belastungen der Vergangenheit ablegt. Wobei man das auch nicht übertreiben sollte. Im Alltag und an der Basis funktioniert die Ökumene. In Deutschland gibt es kaum jemanden, der der Auffassung sein dürfte, dass man sich da noch wirklich viel vergeben müsste.
DOMRADIO.DE: Schauen wir in die Glaskugel. Wenn alles das passiert im Jahr 2017, wird es danach ein anderes Miteinander der Konfessionen geben?
Lassiwe: Das kann durchaus sein, wenn es zum Beispiel einen Fortschritt gibt bei der Frage des gemeinsamen Abendmahls, oder beim Umgang mit konfessionsverschiedenen Paaren. Aber das steckt wirklich tief in der vatikanischen Glaskugel. Im Moment können wir das einfach noch nicht vorhersehen. Was auf jeden Fall kommt, ist, dass man sich erinnern wird. In der evangelischen Kirche hofft man auf eine „Generation 2017“. Geprägt vom großen Abschlussgottesdienst des Kirchentages auf den Elbwiesen vor Wittenberg. Geprägt von der Übernachtung unter freiem Himmel.
Das kann man vergleichen mit der „Generation Benedikt“ nach dem ersten Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. Die Jugendlichen, die 2005 zum Weltjugendtag nach Köln kamen werden sich auch daran erinnern, selbst wenn sie 60 oder 70 sind. Diese Erinnerung wird bleiben. So wird es auch vielen gehen, die dieses Reformationsjubiläum miterlebt haben, ob evangelisch oder katholisch. Das was man dort erlebt hat, wird man auch umsetzen in der Gemeinde vor Ort.
DOMRADIO.DE: Evangelische wie katholische Christen in Deutschland hoffen auf einen Besuch von Papst Franziskus zum Reformationsjahr 2017. Bis jetzt hat der Vatikan das abgelehnt. Gibt es vielleicht doch noch die Chance, dass Franziskus uns besucht?
Lassiwe: Bei diesem Papst sollte man niemals das Wort 'nie' verwenden. Der Papst allein weiß, was er vor hat und was passieren wird. EKD-Chef Bedford-Strohm hat den Papst im Frühjahr gefragt: Können Sie ausschließen, dass Sie 2017 nach Deutschland kommen, und Franziskus hat gesagt: Nein, kann ich nicht.
Ob der Papst kommt, kann heute keiner sagen. Aber am Ende eines guten und erfolgreichen Reformationsjahres 2017, wäre es vielleicht eine gute Idee noch mal zum Buchmacher zu gehen und auf einen Papstbesuch zu setzen. Vielleicht klappts ja...
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch