Am 31. Oktober gedenken Protestanten der Reformation. Die Reformation (lateinisch: Umgestaltung oder Erneuerung) gehört zu den wichtigsten politischen und geistesgeschichtlichen Umwälzungen in Europa. Am Übergang zwischen Mittelalter und der frühen Neuzeit beendete sie im 16. Jahrhundert die Vorherrschaft des Papstes. Katholische Kirche und Teile des Adels verloren an Macht, neue protestantische Kirchen entstanden. Gestärkt wurden damit auch das städtische Bürgertum und die Landesherren.
Zugleich hat die Reformation die gesamte Gesellschaft tiefgreifend verändert: Ehe und Familie wurden aufgewertet, die allgemeine Bildung gewann an Bedeutung. Reformator Martin Luther wollte, dass jeder die Bibel selbst lesen konnte - auf Deutsch und nicht wie bis dahin auf Latein. Der Buchdruck verbreitete Luthers Schriften schnell.
1517, einen Tag vor Allerheiligen, hat der Augustinermönch Martin Luther (1483-1546) in 95 Thesen die damalige Ablasspraxis der Kirche kritisiert. Dass er sie an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen hat, wie es zahlreiche Bilder darstellen, bezweifeln neuere Forschungen. Die Veröffentlichung der Thesen löste gleichwohl weltweit Veränderungen aus, nicht nur in Kirche und Theologie, sondern auch in Musik, Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft.
Luthers Anliegen war die Wiederherstellung einer dem Evangelium gemäßeren Kirche. Zentrale Voraussetzung dafür war seine in den folgenden Jahren erarbeitete Übersetzung der Heiligen Schrift ins Deutsche. Der Protest des deutschen Mönchs führte innerhalb weniger Jahrzehnte zur zweiten großen Spaltung der Christenheit. Zuvor hatten sich im elften Jahrhundert orthodoxe und lateinische Kirche getrennt. Als Ergebnis der Reformation im 16. Jahrhundert entstand die heutige weltweite evangelische Kirche. Der Reformator und Humanist Philipp Melanchthon (1497-1560) war Autor der grundlegenden Schriften des Protestantismus, etwa des "Augsburgischen Bekenntnisses" von 1530.
Weil die mittelalterliche Papstkirche zunächst eine Reform verweigerte und Luther zum Ketzer erklärte, bildeten sich evangelische Landes- und Freikirchen - was Luther ursprünglich nicht beabsichtigt hatte. Die Fronten waren so verhärtet, dass sich das Christentum in unterschiedliche Bekenntnisse spaltete.
In der Schweiz wurde die religiöse Erneuerungsbewegung von Huldrych Zwingli und Johannes Calvin angestoßen; sie führte zur Gründung reformierter Kirchen. Hinzu kamen die radikal-reformatorischen Täufer. In England entstand - wesentlich aus politischen Gründen - die anglikanische Kirche.
Die durch den aufkommenden Buchdruck rasch verbreiteten reformatorischen Schriften beriefen sich auf eine neue Gewissensfreiheit der Christen. Die Reformation änderte auch die politische Landkarte Deutschlands und die europäische Staatenwelt; sie schuf tiefe Gegensätze zwischen katholischen und protestantischen Staaten und verursachte Religionskriege, besonders in Frankreich und im Heiligen Römischen Reich.
Im Augsburger Religionsfrieden wurde 1555 das lutherische Bekenntnis im deutschen Reich anerkannt. Erst im Westfälischen Frieden von 1648 wurde auch das reformierte Bekenntnis als gleichwertig anerkannt. In der Folge der Kirchenspaltung reformierte sich auch die katholische Kirche. Besonders durch das Konzil von Trient (1545-1563) erneuerte sie ihre Strukturen und ihre Glaubensverkündigung.
Ursprünglich wurde der Reformationstag an unterschiedlichen Terminen gefeiert, etwa an Luthers Geburts- oder Todestag. Zur 150. Wiederkehr des "Thesenanschlags" 1667 setzte Kurfürst Georg II. von Sachsen den 31. Oktober als Gedenktag fest. Nach den Reformationsjubiläen 1717 und 1817 etablierte sich das Reformationsfest weiter.
Der Reformationstag ist inzwischen in neun Bundesländern gesetzlicher Feiertag - und zwar in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. 2017, zum 500. Jahrestag des Ereignisses, war er einmalig ein bundesweiter Feiertag.
Während der Gedenktag früher zur Abgrenzung der Protestanten gegenüber katholischen Christen genutzt wurde, wird er inzwischen im Geist der Ökumene gefeiert. Heute steht der Tag im Zeichen der Selbstbesinnung; in vielen evangelischen Kirchen finden an diesem Tag Gottesdienste statt - immer häufiger auch mit ökumenischen Akzenten. 1999 unterzeichneten Katholiken und Lutheraner am Reformationstag die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre", die einen Konsens der Kirchen in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre, dem Herzstück der Theologie Luthers, besiegelt.
(dpa/KNA, 28.10.2024)