domradio.de: Die Opposition in Venezuela hat Angaben eines Vatikan-Vermittlers dementiert, wonach sie mit der Regierung über die Beilegung der Krise im Land sprechen wolle. Eine solche Vereinbarung sei niemals getroffen worden, heißt es. Es gibt also keine Vermittlung durch den Vatikan?
Reiner Wilhelm (Länderreferent des Lateinamerika-Hilfswerkes Adveniat): Teils teils. Die Opposition ist natürlich sehr verschnupft. Denn: Sie hat aus dem Fernsehen erfahren, dass es zu einer solchen Vermittlung kommen sollte. Aber beide Seiten - sowohl die Regierung als auch die Opposition - haben im Vorfeld zugestimmt, dass es zu einer Vermittlung kommen soll. Und deswegen ist auch ein Vermittler, nämlich der Nuntius, aus Argentinien gekommen, um die Vermittlungen vor Ort zu führen.
domradio.de: Wie muss man den Besuch von Präsident Maduro beim Papst einordnen. Stützt ihn das persönlich politisch oder soll das die Lage in dem Land stabilisieren?
Wilhelm: Es ist der letzte Versuch, selbst an der Macht zu bleiben. Das Land ist so heruntergewirtschaftet. Seine Popularitätswerte gehen gegen Null. Die Situation ist derart desaströs. Die Menschen haben nichts mehr zu essen, keine Medikamente. Insofern ist es die einzige Möglichkeit sich selbst an der Macht zu halten. Er versucht über den Vatikan, über diesen Dialog etwas Zeit zu gewinnen.
domradio.de: Aber warum geht es den Leuten eigentlich so schlecht? Das Land ist doch reich?
Wilhelm: Das Land ist superreich. Es hat viele Erdölvorkommen. Aber die Korruption ist unheimlich hoch und es gibt eine immense Mangelwirtschaft. Die Planwirtschaft - die Umsetzung des Sozialismus - das hat alles nicht funktioniert. Es gibt eine kleine Gruppe von Leuten, die sich bereichern und die einfach niemals satt werden.
domradio.de: Die einfachen Menschen leiden am meisten in Venezuela. Wie kann Adveniat helfen?
Wilhelm: Wir unterstützen die Menschen insbesondere mit Nahrungsmittelspenden. Wir versuchen also Geld rüberzubringen, um Medikamente und Lebensmittel einkaufen zu können. Wir sind dabei Projekte zu finanzieren, die dem Frieden eine Grundlage geben, die Versöhnungsarbeit leisten. Die jetzige Situation kann so nicht andauern; es gibt ein "danach". Auf dieses "danach" muss man sich vorbereiten. Die Bischöfe haben uns gebeten, Hilfen bereit zu stellen.
domradio.de: Wenn die angedachte Vermittlung durch den Vatikan nichts bringt, was könnte die Folge sein? Ein Bürgerkrieg?
Wilhelm: Die Situation ist unheimlich verhärtet. Es gibt eine starke Polarisierung. Vorgestern sind Oppositionelle ins Parlament eingedrungen und haben vor Ort demonstriert. Sie haben die Parlamentarier beschimpft und sie an ihrer Arbeit behindert.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.