domradio.de: Marcelo Crivella ist Bischof der "Universalkirche des Königreichs Gottes". Was ist das für eine Kirche?
Klemens Paffhausen (Adveniat-Länderreferent für Brasilien): Es gibt sehr viele evangelikale Kirchen, von denen einige auch aus den USA kommen. Die "Universalkirche des Königreiches Gottes" (Iglesia Universal del Reino de Dios) ist aber eine brasilianische Gründung.
domradio.de: Crivella ist mehrfach mit verächtlichen Äußerungen gegenüber der katholischen Kirche aufgefallen. Er gilt sozusagen als Feind der katholischen Kirche. Stimmt das?
Paffhausen: Ich denke es gehört zum guten Ton - in Anführungsstrichen - einer jeden evangelikalen Kirche, Distanz zur katholischen Kirche zu suchen. Das muss man für meine Begriffe nicht überbewerten. Was aber richtig ist: Brasilien ist ein religiöses Land und es stellt sich auch nicht die Frage, ob man an Gott glaubt oder nicht, sondern es stellt sich eher die Frage, welcher Kirche man sich zugehörig fühlt. Hier hat die Iglesia Universal durch sehr fortschrittliche Marketingmethoden und auch teilweise durch aggressive Mitgliederwerbung einen großen Erfolg bei den einfachen Leuten in den letzten Jahren verzeichnet.
domradio.de: Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass in einem so katholischen Land ein "Katholikenfeind" gewählt wird?
Paffhausen: Ich würde eher sagen, dass sich die Evangelikalen dadurch auszeichnen, dass sie ein sehr bewusstes Leben führen. Viele, die der Kirche angehören, haben es zum Beispiel geschafft, vom Alkohol loszukommen oder haben ihr Familienleben ordnen können. Insofern gelten diese Menschen als moralische Vorbilder und damit punkten sie immer. Dieses wird den Katholiken nicht so nachgesagt. Sie gelten in vielen Bereichen, besonders auch in moralischen Fragen, etwas lasch.
domradio.de: Auch gegenüber anderen Religionen hat sich Crivella kritisch geäußert, zum Beispiel zum Hinduismus oder zu afrikanischen Religionen. Könnte das Auswirkungen auf die Stadt Rio haben?
Paffhausen: Ich denke, dass der neue Bürgermeister in Rio de Janeiro generell vor immensen Problemen steht. Da haben wir das Problem der Gewalt. Wir müssen damit rechnen, dass während der Großereignisse (Fußball-Weltmeisterschaft und Olympische Spiele) die weitgehend ruhigen Favelas jetzt wieder von rivalisierenden Drogenbanden zurückerobert werden. Auch der Bundesstaat Rio de Janeiro ist pleite, was erhebliche Konsequenzen beispielsweise für das Bildungs- und Gesundheitssystem mitbringt. Insofern glaube ich, war bei der Wahl nicht seine Religion ausschlaggebend, sondern seine Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit.
domradio.de: Hat so ein "Mann des Glaubens" auch die richtige Qualifikation, um Bürgermeister zu sein?
Paffhausen: Darüber kann man streiten. Da wäre auch schon durchaus ein Fragezeichen hinter dem Begriff "Bischof" oder "Pastor" zu setzen. So etwas kann man bei der Universalkirche auch nachweislich schon nach drei Monaten werden, wenn man den entsprechenden Führungskurs mitgemacht hat. Aber es ist bekannt, dass nicht nur die Mitglieder der Universalkirche, sondern auch andere Evangelikale zunehmend strategisch versuchen, in die Politik zu kommen. Sie engagieren sich auch in verschiedenen Parteien, um dann zu sehen, dass sie politischen Einfluss in der Gesellschaft gewinnen.
domradio.de: Glauben Sie, dass die Arbeit von Adveniat jetzt Gegenwind bekommen könnte?
Paffhausen: Das glaube ich kaum. Wir sind in den letzten Jahren mit unseren Projekten zunehmend in besonders armen Gebieten von Rio unterwegs, auch dort, wo Menschen mehr oder weniger ganz vergessen sind. Der Bürgermeister von Rio wird sich auch um diese großen Infrastrukturprobleme so einer Millionenstadt kümmern. Angesichts der Tatsache, dass sowohl die Stadt als auch der Bundesstaat selber mehr oder weniger vor leeren Kassen stehen, glaube ich, wird Adveniat auch in Zukunft mehr denn je gefragt sein.
Das Gespräch führte Heike Sicconi.