Grüne wollen Reformen beim Verhältnis von Staat und Religionen

"'Grüß Gott' für alle, die es hören wollen"

"Die religionspolitische Karte ist bunter geworden", so die Grünen. Sie wollen dem Rechnung tragen. Auf ihrem Parteitag brechen sie dabei eine Lanze für die Religionsfreiheit, nehmen jedoch das kirchliche Arbeitsrecht auf`s Korn.

Autor/in:
Birgit Wilke
Delegierte (und Nachwuchs) von Bündnis 90/Die Grünen / © Bernd Thissen (dpa)
Delegierte (und Nachwuchs) von Bündnis 90/Die Grünen / © Bernd Thissen ( dpa )

Die hitzigen Debatten fanden vorher statt. Auf dem Parteitag ging es recht schnell: Die Grünen verabschiedeten am Sonntag einen Antrag, der für Reformen beim Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften eintritt. Dazu gehört für die Partei eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts. Einig waren sich die Grünen aber auch darin, dass muslimische Verbände bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, wenn sie Verträge mit dem Staat schließen wollen.

Zwei Jahre Diskussion

Rund zwei Jahre hatten die Grünen zuvor heftig diskutiert und um Formulierungen gerungen. Schließlich galt es, Positionen von Atheisten, Agnostikern, Christen und Angehörigen anderer Religionen zusammenzubringen. Schließlich verständigten sich die Mitglieder einer eigens eingesetzten Kommission darauf, ihre Forderungen unter das Motto Religionsfreiheit zu stellen. "'Grüß Gott' für alle, die es hören wollen", so brachte es der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, beim Parteitag auf den Punkt.

Ausgangspunkt der Grünen war ein parteiinterner Streit darüber, wie das Staat-Religionen-Verhältnis neu austariert werden kann und wo etwa Konfessionslose ihren Platz finden können. In dem Bericht spricht die Kommission von der "religiös-weltanschaulichen Landkarte Deutschlands", die individueller und pluraler werde, während die Bedeutung der Volkskirchen abnehme.

Den Vorsitz hatte die Berliner Landesvorsitzende Bettina Jarasch, die auch Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist. Außerdem dabei waren die Bundesvorsitzende Simone Peter, die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der religionspolitische Sprecher Volker Beck. Zudem brachten Muslime und Vertreter des kirchenkritischen Arbeitskreises "Säkulare Grüne" ihre Positionen ein.

Streikrecht

Bereits im März hatte die Kommission ihren Bericht vorgestellt, den die Delegierten nun in Münster verabschiedeten. Darin erneuern sie ihre Forderung nach einer Reform und verweisen auf die Koalitionsfreiheit - also das Recht von Arbeitnehmern, sich etwa zu Gewerkschaften zusammenzuschließen - sowie das daraus abgeleitete Streikrecht.

Weiter treten die Grünen für die Ablösung der sogenannten Staatsleistungen an die großen Kirchen ein. Auch diese Forderung ist nicht neu, und schon lange sperren sich auch die Kirchen nicht mehr grundsätzlich gegen eine solche Lösung. Sie betonen in dem verabschiedeten Antrag aber auch, angesichts der großen Summen, um die es gehe, sei dieser Weg schwierig und langwierig. Beim Thema Kirchensteuer plädieren die Grünen für Reformen innerhalb des Systems. Beim Einzug der Steuern sollen die Bundesländer etwa selbst entscheiden, ob das Finanzamt oder die Kirchen diese einziehen.

Muslimische Verbände lediglich "religiöse Vereine"

Für Vertreter anderer Religionen, aber auch für Menschen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, wollen die Grünen mehr Rechte: Ob dies mit dem bestehenden Religionsverfassungsrecht möglich sei, müsse diskutiert werden. Zugleich aber stellen sie klar, dass die vier großen muslimischen Verbände (Ditib, Islamrat, Zentralrat der Muslime und der Verband der Islamischen Kulturzentren) derzeit nicht die vom Grundgesetz genannten Anforderung an eine Religionsgemeinschaft erfüllen. Sie seien lediglich "religiöse Vereine".

In ihrer Rede beim Parteitag stellte Jarasch klar: "Wir wollen kein laizistisches Modell". Das Modell der Zusammenarbeit von Staat und Kirche habe sich bewährt, es müsse aber weiterentwickelt werden. Dies bekräftigte der frühere UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, den die Partei als Gastredner eingeladen hatte. Die Kriterien der Kooperation müssten fair und transparent seien. Da gelte es nachzusteuern, mahnte Bielefeldt.

Im Vorfeld hatten die Kirchen das Papier zwar grundsätzlich begrüßt, zugleich aber in Teilen kritisiert. Der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, sprach sich in einem Interview gegen von den Grünen geforderte Änderungen beim kirchlichen Arbeitsrecht und bei der Kirchensteuer aus. Beides habe sich bewährt, so Jüsten.


Quelle:
KNA