Für die Katholiken bestehe das Ziel der Ökumene in der sichtbaren Einheit im Glauben, in den Sakramenten und in den kirchlichen Ämtern, sagte der vatikanische Ökumene-Verantwortliche, Kardinal Koch, im Interview der Düsseldorfer "Rheinischen Post" am Dienstag. Demgegenüber erblickten nicht wenige der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen das Ziel bereits darin, "dass sich die Kirchen so, wie sie heute sind, einander als Kirchen und damit als Teile der einen Kirche Jesu Christi anerkennen". Wenn kein Konsens darüber bestehe, "wohin die ökumenische Reise gehen soll, ist es schwierig, die nächsten Schritte anzuvisieren".
Ökumenische Fortschritte nicht verkennen
Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen wendet sich aber dagegen, die ökumenischen Fortschritte geringzuschätzen. "Wenn man bedenkt, was sich Lutheraner und Katholiken in der Geschichte wechselseitig angetan haben, sollte man es nicht banalisieren, dass heute beide friedlich miteinander leben", so der Kardinal. "Und wenn beide sich beim Reformationsgedenken auf das Christusgeheimnis als Kern des christlichen Glaubens zurückbesinnen, wird dies für beide Kirchen und für die Ökumene gewiss nicht ohne Folgen sein."
Für den Kurienkardinal wollte Martin Luther vor 500 Jahren die katholische Kirche erneuern und nicht spalten. "Sein Grundanliegen, die Kirche in der damaligen Zeit wieder zum Kern des Evangeliums zurückzuführen, ist positiv zu würdigen", so der Präsident des Einheitsrates. Dass etwas anderes daraus entstanden sei, hänge auch mit den politischen Verwicklungen zusammen, in die sein Reformanliegen geraten sei, sagte Koch.
Fragwürdiger Einsatz linker Parteien für Islam
Bezüglich des Einsatzes von Parteien des linken Spektrums für den Islam zeigte sich der vatikanische Ökumene-Verantwortliche verwundert. Viele Überzeugungen im Islam entsprächen nicht deren parteipolitischen Linien, sagte der Kurienkardinal.
Was die Präsenz des Islam in Europa betreffe, darf es laut Koch auf der einen Seite keine Panik geben und auf der anderen Seite keine Blauäugigkeit, vor allem im Blick auf die Aggressivität. "Zudem ist in Europa nicht die Stärke des Islams, sondern die Schwäche des Christentums das eigentliche Problem", so Koch.
Die heutige Krise in Europa lasse sich nur überwinden, wenn die christlichen Wurzeln wieder entdeckt würden, sagte der Kardinal. "Wer seine eigene Vergangenheit nicht kennt oder sie leugnet, wird keine Zukunft haben." Europa sei nicht nur eine ökonomische, sondern zuerst eine geistig-kulturelle Größe.