Bart, dicke Zigarre, olivgrüne Uniform und stundenlange, ermüdende Reden über die Vorzüge des tropischen Sozialismus - so kannte die Welt Fidel Castro. Fast 50 Jahre lang stand er an der Spitze Kubas und regierte den Inselstaat mit harter Hand. Trotz seines Rückzugs vor zehn Jahren war der "Maximo Lider" bis zuletzt eine der schillerndsten Figuren der Weltpolitik; Alt-Linke verehrten ihn als Ikone der Revolution. Am Freitagabend (Ortszeit) ist er im Alter von 90 Jahren gestorben, wie sein Bruder und Nachfolger als Staatschef, Raul Castro, bestätigte.
Doch was für ein Mensch war der Ex-Staatschef? Boris Coloma, früherer Dolmetscher und Vertrauter Castros, äußerte sich zum 90. Geburtstag im August zwiespältig über den ehemaligen Vorgesetzten: Castro sei "eine beeindruckende Persönlichkeit" gewesen - mit scharfem Verstand. "Ich habe ihn aber auch als Choleriker erlebt, der Mitarbeiter obszön beschimpfte." Im Laufe der Jahre habe er mit dem Comandante "innerlich gebrochen". Coloma, der inzwischen in Berlin lebt, zog ein bedrückendes Fazit: "Fidel hat die Revolution verraten."
Als Castro zum Revolutionär wurde
Dabei galt Castro einst als Hoffnungsträger einer Bevölkerung, die in den 1950er Jahren vom Tyrannen Fulgencio Batista und dessen Militärs unterdrückt wurde. Als unehelicher Sohn eines spanischen Plantagenbesitzers geboren, fiel der junge Fidel schon in seiner Schulzeit in einem Jesuitenkolleg Havannas durch Ehrgeiz und schier unbezwingbaren Willen auf: Einmal soll er mit dem Fahrrad absichtlich gegen eine Mauer gerast sein - um zu beweisen, dass Angst und Schmerz ihn nicht aufhalten können.
Die Karrierehoffnungen Castros, der sich während des Jura-Studiums und später als Anwalt politisch gegen die korrupte Regierung engagierte, wurden 1952 jäh zerstört. Kurz vor den Wahlen riss der frühere Unteroffizier Batista durch einen Putsch die Macht an sich. Castro wurde zum Revolutionär. Ein von ihm organisierter Umsturzversuch scheiterte zunächst am 26. Juli 1953 bei einem dilettantischen Überfall auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba. Doch der redegewandte Guerillero versuchte es nach einem Exil-Aufenthalt in Mexiko erneut und fand schließlich so großen Zulauf, dass er 1959 siegreich unter Jubelrufen in Havanna einzog. Seither war er für Menschen auf der ganzen Welt Vorbild oder Hassfigur - je nach Blickwinkel.
Schwierige Beziehungen zur Kirche
In der katholischen Kirche regte sich schon kurz nach der Machtübernahme Skepsis: "Wenn sich Dr. Fidel Castro, Dr. Manuel Urrutia und ihre Mitstreiter an den bewährten sozialethischen Prinzipien orientieren, machen sie sich um Gott und Vaterland verdient. Wenn sie es aber nicht tun, dann würden sie wenig erreichen, diese neuen Männer, in die eine übergroße Mehrheit unseres Volkes jetzt ihr Vertrauen setzt", hieß es in einem Hirtenbrief des Erzbischofs von Santiago.
Schon bald darauf drängte Castro den neuen bürgerlichen Präsidenten Manuel Urrutia ins Exil. Er fing an, alle kritischen Stimmen und auch die Kirche zu unterdrücken; ließ kirchliche Schulen schließen, ordnete die Verbannung von Nonnen und Priestern an. Insgesamt mussten in den 60er Jahren rund 2.500 Priester und Ordensleute die Insel verlassen.
Kleine Annäherungsversuche
Der Gesprächsfaden zur Kirche riss dennoch nie ganz ab. Nach dem Untergang seines Hauptgeldgebers Sowjetunion unternahm Castro vorsichtige Annäherungsversuche. 1996 traf er in Rom Johannes Paul II. Zwei Jahre später besuchte der polnische Papst Havanna. Dabei ließ der gealterte Revolutionsführer im dunklen Zweireiher kaum eine Gelegenheit aus, sich bei Reden des Papstes in der ersten Reihe zu zeigen. Der Besuch blieb nicht ohne Wirkung: Auf Kuba wurde ein Weihnachtsfeiertag wieder eingeführt, politische Gefangene gelangten in Freiheit.
Und die Annäherung ging in kleinen Schritten weiter. Fidels jüngerer Bruder Raul Castro (85), der 2006 die Regierung übernahm, setzte diesen Kurs fort. Papst Benedikt XVI. (2012) und Franziskus (2015) reisten nach Kuba. Letzterer erzielte durch seine Vermittlermission zwischen den USA und Kuba historische Fortschritte.
"Wir alle kommen an die Reihe"
Der gesundheitlich angeschlagene Fidel hatte sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Beobachter schätzten seinen politischen Einfluss am Ende als gering ein. Zuletzt sorgte er beim Kongress der Kommunistischen Partei für Aufsehen, als er sitzend im Trainingsanzug über seinen nahenden Tod sinnierte. Vor einem zu Tränen gerührten Publikum bemerkte er treffend: "Wir alle kommen an die Reihe."
Befreiungstheologe Boff: Castro war einer der größten Führer
Der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff hat Fidel Castro als "eine der größten Führer der Welt" gewürdigt. Er habe der langjährigen kubanischen Staatschef "als charismatische Persönlichkeit sehr geschätzt", sagte Boff am Samstag in Berlin.
Castro sei "seinen Ideen des Sozialismus immer treu geblieben". Seine Erziehung durch Jesuiten sei immer spürbar geblieben. "Er hat die christlichen Traditionen gekannt", sagte Boff. In den vergangenen Jahren habe der frühere Revolutionsführer sich "auch sehr für ökologische Fragen interessiert".
Boff äußerte sich am Rande einer Veranstaltung der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gesellschaft. Sie zeichnet ihn an diesem Sonntag mit ihrer Verdienstmedaille, die ebenfalls nach dem deutschen Physiker, Friedensforscher und Philosophen benannt ist.