Händler und Initiative kämpfen für Ethik in der Modebranche

Den Näherinnen ganz nah

Gerade jetzt im Advent sorgt die Kundschaft wieder für glänzende Umsätze in der Modebranche. Dabei sind die Bedingungen in den Produktionsländern meist richtig übel. Ein Händler und eine Initiative in Münster stemmen sich dagegen.

Autor/in:
Jonas Mieves
Einkaufstrubel in der Adventszeit / © Henning Kaiser (dpa)
Einkaufstrubel in der Adventszeit / © Henning Kaiser ( dpa )

Alle Jahre wieder ist sie da, die Hochsaison im Einzelhandel. Weihnachten rückt näher und die Geschäfte hoffen auf Spitzenumsätze. Einer von Münsters Händler ist Lars Wittenbrink.

Der 36-Jährige verkauft in der Altstadt Mode, die anders ist. Sein Laden ist ein "Ethical-Fashion-Store", wie es neudeutsch heißt. Er handelt mit Waren aus fairer und ökologischer Produktion.

Außenseiter in der Modebranche

Wittenbrink ist damit ein absoluter Außenseiter in der Modebranche. "Ein Prozent vielleicht machen solche Produkte auf dem Markt aus", sagt er. Das mag verwundern, denn die skandalösen Zustände in der Bekleidungsindustrie etwa in Bangladesch haben schon zu dicken Schlagzeilen geführt.

Kleidung in einem Geschäft / © Forewer (shutterstock)

"Das Problem ist gar nicht, dass die Leute kein Geld für unsere Waren ausgeben können", analysiert Wittenbrink. Rund 100 Euro für einen guten Schuh oder eine anständige Jeans, das bezahle man auch in normalen Geschäften. Schwieriger sei es aber, die stete Nachfrage der Mittelschicht nach Variationen und aktuellen Trends im fairen Handel zu bedienen.

Wittenbrink bietet seine Waren in zwei bescheidenen Räumen an - aber dort findet sich von der Socke bis zur Mütze und vom Hemd bis zum Winter-Parka ein komplettes Sortiment. Aber eben ein alternatives.

"Zahllose Möglichkeiten, Menschen auszubeuten"

Kirsten Clodius weiß, wie ein Großteil der herkömmlichen Mode hergestellt wird. Die 40-Jährige arbeitet für die "Christliche Initiative Romero" in Münster und kämpft für bessere Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. Das Hauptproblem seien die vielen Schritte der Herstellung.

"Sie schaffen zahllose Möglichkeiten, Menschen auszubeuten." Beispiel Baumwolle: Sind bei der Ernte Kinder beteiligt? Können die Arbeiter bei der Entkörnung von ihrem Lohn leben? Welche Arbeitszeiten gelten bei der Konfektionierung der Bestandteile?

Die Textilbranche in Bangladesch und die DBL Gruppe

In Bangladesch gibt es nach Angaben der Kampagne für Saubere Kleidung schätzungsweise 5.000 Textilfabriken. Etwa 2.000 davon produzierten für den Export. Zu den führenden Textilfabrikanten gehört laut Deutscher Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) die DBL Gruppe mit Sitz in Gazipur unweit der Hauptstadt Dhaka.

Ein Junge arbeitet in einer Textilfabrik in Dhaka, Bangladesch / © Sk Hasan Ali (shutterstock)
Ein Junge arbeitet in einer Textilfabrik in Dhaka, Bangladesch / © Sk Hasan Ali ( shutterstock )

Clodius hält sich zurück mit einfachen Schuldzuweisungen. "In Bangladesch und El Salvador ist die Arbeitsgesetzgebung theoretisch nicht schlecht", sagt sie. Es fehlten aber Gewerkschaften, um die Rechte der Näherinnen durchzusetzen.

"Armut trotz Vollzeitstelle"

Auch am Geld für Kontrollen mangelt es: "In El Salvador gibt es für Kontrolleure manchmal nicht mal den Sprit, um in die freien Wirtschaftsgebiete zu fahren." Hinter diesen Problemen steht unter anderem die enge Verbindung von Politik und Unternehmern.

Die deutschen Textilunternehmen achteten nur darauf, dass die nationalen Gesetze in den Produktionsländern nicht gebrochen werden, so Clodius. Aber der gesetzliche Mindestlohn dort reiche nicht zum Leben. "Armut trotz Vollzeitstelle" nennt Clodius das.

So liegt das Minimum in Indonesien bei umgerechnet rund 178 Euro. Organisationen wie die "Asia Floor Wage Alliance" veranschlagen wenigstens 264 Euro für eine vierköpfige Familie als existenzsichere Grundlage.

"Bündnis für nachhaltige Textilien" in Deutschland

Die Romero-Initiative verfolgt aufmerksam das politische Geschehen in Deutschland. Die Soziologin Clodius kennt das "Bündnis für nachhaltige Textilien", ein 2014 unter Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) begründeter Zusammenschluss der Modebranche. "Jetzt endlich wird die Vereinigung mit verbindlichen Inhalten gefüllt", sagt sie.

Frauen in einer Textilfabrik  in Bangladesch / © Doreen Fiedler (dpa)
Frauen in einer Textilfabrik in Bangladesch / © Doreen Fiedler ( dpa )

Die etwa 200 Mitglieder, darunter KiK und große Teile der Outdoor-Branche, sollen ab 2018 die Arbeitsverhältnisse bei ihren Zulieferern veröffentlichen und bewerten lassen.

Oft wüssten die Marken jedoch gar nicht, was wo hergestellt wird, weil sie Agenten mit der Auswahl von Fabriken beauftragten, so Clodius. "So kann die Produktion dann in Hinterhöfen stattfinden, und niemand weiß davon."

Wittenbrink setzt mit seinem Modegeschäft darauf, dass Klischee der fairen Mode loszuwerden. "Viele denken immer noch an ältere Damen in wallenden Gewändern." Für ihn ist aber klar, dass seinen Käufern - vom Studenten bis zum Besserverdiener - guter Stil wichtig ist.

"Einige Kunden kommen, weil sie unsere Marken individuell finden." Und die Fairtrade-Siegel sähen sie dann als I-Tüpfelchen. Manche Käufer legten darauf wenig Wert. "Es gibt eine faire Jeansmarke, die gerade einfach cool ist", berichtet Wittenbrink. "Dass die Hose aus nachhaltiger Produktion kommen, interessiert manche Kunden gar nicht."

Textilsiegel "Grüner Knopf"

Der Grüne Knopf ist ein Siegel mit staatlicher Überwachung. Ein Textilprodukt mit dem Knopf muss 26 soziale und ökologische Mindeststandards einhalten. Zu den sozialen Standards gehören unter anderem die Zahlung von Mindestlöhnen und das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit. Die ökologischen Standards umfassen etwa das Verbot von Weichmachern und anderen Chemikalien sowie Grenzwerte für Abwässer, die bei der Produktion anfallen. Die Herstellerfirmen müssen nachweisen, dass sie menschenrechtliche, soziale und ökologische Verantwortung übernehmen.

Das staatliche Textilsiegel "Grüner Knopf" / © Britta Pedersen (dpa)
Das staatliche Textilsiegel "Grüner Knopf" / © Britta Pedersen ( dpa )
Quelle:
KNA