domradio.de: Der Vatikan beabsichtigt eine Reform der Priesterausbildung. Was sind genau die neuen Schwerpunkte des Dokuments, das vom Vatikan herausgegeben wurde?
Pfr. Regamy Thillainathan (Leiter Diözesanstelle "Berufe der Kirche"): Dieses Dokument bezieht sich auf die komplette Priesterausbildung, wie sie grundsätzlich gestaltet sein sollte. Da wird nochmal erwähnt, was auch in den letzten Dokumenten schon immer wieder erwähnt und betont worden ist: Dass der Priester menschlich, spirituell, geistlich, intellektuell und pastoral geschult sein soll - dass diese Dimensionen zur Ausbildung dazugehören.
Im neuen Dokument hat man ein wenig den Eindruck, dass die menschliche Dimension ganz stark betont wird, dass die Verantwortlichen der Ausbildung - und auch die ganze Diözese - dafür Sorge zu tragen haben, dass der Kandidat menschlich reift.
domradio.de: Ist diese menschliche Dimension bislang vernachlässigt worden?
Thillainathan: Sie ist nicht vernachlässigt worden, aber man merkt, dass unter dem Pontifikat von Papst Franziskus bestimmte Schlagwörter eine große Rolle spielen: Zum Beispiel die Gefahr, dass der Priester unter gewissen Gefahren leiden kann - wie Machtmissbrauch, Geltungssucht oder einer legalistischen Auslegung des Glaubens (also einer sehr engen Auslegung, Anm. d. Red.) und dass die menschliche Reife dazu führen soll, dass man genau diesen Gefahren aus dem Weg geht.
domradio.de: Wie soll das konkret umgesetzt werden, dass der Priester nicht "diesen Versuchungen erliegt"?
Thillainathan: Zuerst einmal ist schon viel getan, wenn man als Ausbilder überhaupt diese Gefahr in den Blick nimmt und zur Sprache bringt. Vor allem spielt das Dokument immer wieder darauf an, dass wir in der Ausbildung dafür Sorge tragen sollen, dass die Kandidaten schon recht früh Erfahrungen im pastoralen Bereich machen - auch in Einsatzgebieten, wo sie das Leben, die Realität und auch ein Stück weit die Leidensgeschichten der Menschen nicht nur mitbekommen, sondern auch mit teilen. Diese Erfahrung kann dazu beitragen, dass der Kandidat daran reift.
domradio.de: Wenn so ein Dokument vom Vatikan herausgegeben wird, dann geht es meist um die Weltkirche. Wie ist das denn hier im Erzbistum Köln in der Priesterausbildung: Gibt es einige Dinge, die bereits erfüllt sind von dem, was der Vatikan jetzt neu vorgeschlagen hat?
Thillainathan: Einige Punkte haben wir tatsächlich schon vorher selbst gesehen. Vor allem Erzbischof Kardinal Woelki hat schon zu Beginn seiner Zeit hier in Köln einiges in Bewegung gebracht. Zum Beispiel wird bei uns die Vorbereitungszeit für das Leben im Priesterseminar inhaltlich, strukturell und zeitlich verändert. Es wird jetzt eine längere Einführungsphase geben, in der die Kandidaten dort hineinwachsen können und das geistliche Leben neu und intensiv kennenlernen können. Das ist aber auch mit vielen Erfahrungen in pastoralen Einsatzfeldern gespickt.
Andererseits gibt es Dinge, die schon länger im Erzbistum Thema sind: Dieses Dokument geht etwa darauf ein, dass der Schutz von Minderjährigen und Erwachsenen mit Behinderungen eine deutliche Rolle spielen soll. Das ist in unserer Priesterausbildung schon so. Im Priesterseminar und im Albertinum werden unsere künftigen Priester darauf sensibilisiert und vorbereitet, wie sie der Verantwortung gerecht werden können, dass sie Menschen mit Behinderung schützen.
domradio.de: Welche Chancen birgt das Dokument im Hinblick auf den Priestermangel? Es geht ja oft darum, dass Priester sagen, sie leiden unter den vielen Verwaltungsaufgaben und kommen kaum noch dazu, spirituell und seelsorgerisch tätig zu sein. Hier geht es ja gerade um die Seelsorge und auch das Spirituelle. Wie kann dieser Spagat auch in der Priesterausbildung künftig überwunden werden?
Thillainathan: Dieses Dokument arbeitet mit vielen Wörtern aus der Realität: Es geht um die "Herausforderung des Zölibats" und die "Herausforderung der Einsamkeit", es bietet aber auch ganz konkrete Handlungsempfehlungen und schlägt Handlungsmöglichkeiten vor. Zum Beispiel schlägt dieses Dokument vor, zu überlegen, ob es in einem Bistum möglich ist, Kommunitäten gemeinschaftlichen Lebens zu schaffen, wo Priester gemeinsam leben und arbeiten können, um sich gegenseitig zu stärken und auch einen guten Blick aufeinander zu haben - dass der Einzelne zum Beispiel nicht vollkommen überfordert ist und mit seinen Kräften auch gut umgehen kann.
Andererseit bietet das Dokument auch verschiedene Möglichkeiten der Ausbildung, darauf einzugehen, dass eine gute geistliche Begleitung grundlegend ist und darauf geschaut werden soll, dass sich die Kandidaten von Anfang an als Gemeinschaft verstehen und nicht nur als Einzelkämpfer, die vor Ort ihren Dienst tun sollen.