Die Religionsgemeinschaft der Sikhs feiert in dieser Woche in Patna den 350. Geburtstag ihres zehnten und letzten Gurus Gobind Singh, der in der Hauptstadt des indischen Bundesstaats Bihar das Licht der Welt erblickte. Mit Sonderbussen und zehn extra bereitgestellten Zügen reisten Hunderttausende Sikhs aus Neu Delhi und dem Punjab zu den Feiern mit religiösen Zeremonien und traditionellen Schwerttänzen an.
Liebe, so heißt es, geht durch den Magen. Bei den Sikhs geht die Gleichheit durch den Magen. Die Langar - Freiküchen - sind ein zentrales Element der Religionsgemeinschaft. Das gemeinsame Essen von Menschen aller Kasten und Religionen in den Gurdwaras - den Gebets- und Schulstätten - gilt für die Sikhs als Zeichen der Gleichheit aller Menschen. In Patna verköstigt die Regierung von Bihar in neun Langars mehr als 300.000 Sikh-Pilger.
Monotheistische Religion
Der Sikhismus ist eine im 15. Jahrhundert im Punjab in Nordindien entstandene monotheistische Religion. Ihr Gründer Guru Nanak (1469-1539) verband islamische und hinduistische Traditionen zu einer neuen Lehre. Merkmale sind die Verehrung Gottes durch die Rezitation der heiligen Schrift, des Adi Granth, und eine pazifistische Grundhaltung. Weltweit leben rund 25 Millionen Sikhs, die meisten im indischen Staat Punjab, viele aber auch in Pakistan, Malaysia, Singapur, Großbritannien und den USA.
Kennzeichen der Sikhs und zugleich Teil ihres religiösen Bekenntnisses sind die "fünf K": Kesh (ungeschorenes Haar), Kangha (Kamm), Kara (Stahl-Armreif), Kachera (besondere Shorts), Kirpan (Krummdolch). Aufgrund ihrer Barttracht und der Turbane werden sie häufig mit Muslimen verwechselt. Die "fünf K" gehen zurück auf die Sikh-Bruderschaft der Khalsa ("die Freien/Reinen"), die im 17. Jahrhundert gegen die Unterdrückung durch Mogul-Herrscher entstand. Seitdem tragen alle männlichen Sikhs den Beinamen Singh ("Löwe"), die Frauen Kaur ("Prinzessin").
Differenzen mit Hindus
In Indien werden die Sikhs von der hinduistischen Mehrheit häufig misstrauisch beäugt, weil sie sich auch als eine Nation verstehen. In den 1980er Jahren eskalierte ihr Kampf um eine stärkere Autonomie mit der Erstürmung des Goldenen Tempels der Sikhs in Amritsar durch indische Truppen. Hunderte Sikhs kamen bei der sogenannten Operation Blue Star ums Leben. Wenige Monate später, am 31. Oktober 1984, wurde Premierministerin Indira Gandhi von zwei ihrer Sikh-Leibgardisten erschossen. Tausende Sikhs starben daraufhin bei neuen Gewaltausbrüchen.
Die blutigen Ereignisse sind bis heute unvergessen, auch wenn sich das Verhältnis zwischen Sikhs und Hindus in den vergangenen zwei Jahrzehnten entspannt hat. Als erster Sikh regierte Manmohan Singh von 2004 an zehn Jahre lang als Premierminister Indien, bis die Kongresspartei des Gandhi-Clans 2014 von der hindu-nationalistischen BJP abgelöst wurde. Die Sikh-Minderheit in Pakistan gerät derweil, wie die Christen, zunehmend ins Visier radikaler Islamisten. Im Mai 2014 verbrannten Anhänger der Taliban in mehreren Städten der Provinz Sindh öffentlich den Adi Granth.
Polizeidienst in New York mit Turban
Anders in New York: Dort sorgte jüngst eine Entscheidung für Aufsehen, nach der Sikh-Polizisten künftig mit Turban zum Dienst erscheinen dürfen. Die entsprechende Änderung der Uniformvorschriften solle helfen, die Polizei "so vielfältig wie möglich" zu machen, hieß es.
Auch in Deutschland gerieten die Sikhs im vergangenen Jahr in den Fokus der Öffentlichkeit - durch einen Anschlag islamistischer Terroristen auf einen Sikh-Tempel in Essen.
In Patna aber wird in dieser Woche gefeiert. 10.000 Freiwillige servieren in den Langar das Essen. Die Behörden haben zehn Zeltstädte für die Hunderttausenden Pilger aufgebaut. Auch eine Rede des hindu-nationalistischen Premierministers Narendra Modi ist vorgesehen - sie wird von den Feiernden mit Spannung erwartet.