Bischof Fürst kritisiert Angebote bei ersten Kinderwunsch-Tagen

"Ethisch verwerfliche Selektion"

In Berlin findet an diesem Wochenende die erste Kinderwunsch-Messe statt. Neben der Kritik aus Politik und Ärzteschaft warnt auch Bischof Gebhard Fürst im Interview vor dieser Art von "Verbrauchermesse".

Forschung an einer menschlichen Einzelle / © Ralf Hirschberger (dpa)
Forschung an einer menschlichen Einzelle / © Ralf Hirschberger ( dpa )

KNA: Bischof Fürst, was stört Sie an den ersten "Kinderwunsch-Tagen"?

Bischof Gebhard Fürst (Bischof von Rottenburg-Stuttgart und Vorsitzender der Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz): Ich habe nichts dagegen, wenn sich Paare mit Kinderwunsch über Möglichkeiten der Unterstützung und Beratung informieren können. Ein kommerzielles Format wie die "Kinderwunsch-Tage" ist aber nicht der angemessene seriöse Rahmen. Darauf weist auch der Umstand hin, dass sich der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren und der Berufsverband der Frauenärzte nicht daran beteiligen. Hier präsentieren sich in großer Zahl ausländische Anbieter, die mit ethisch nicht vertretbaren und in Deutschland verbotenen reproduktionsmedizinischen Techniken werben. Sie wollen offensichtlich an der anonymen Samenspende, der Eizellspende oder der Leihmutterschaft verdienen.

Im Vordergrund scheint also nicht die verantwortungsvolle Beratung von Paaren mit Kinderwunsch zu stehen, sondern die Kommerzialisierung und Industrialisierung des Lebens und das eigene Interesse, Geschäfte zu machen. Dies ist eine Zäsur, ein Epochenwandel, der die Entstehung des Lebens hin zu einem technischen Prozess minimiert.

KNA: Was ist aus Ihrer Sicht ethisch fragwürdig oder verwerflich - etwa an Eizellspenden, an einem "Vollchromosomen Screening" oder an "individueller Präimplantationsdiagnostik"?

Fürst: Die Eizellspende ist mit massiven Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit der Spenderin verbunden. Wir wissen aus Ländern, in denen diese Technik erlaubt ist, dass eine Ausbeutung von Frauen in prekären Verhältnissen droht. Für die Kliniken eröffnet die Eizellspende oder Embryonenadoption ein lukratives Geschäft. Es ist nicht auszuschließen, dass sogar Embryonen mit bestimmten ausgesuchten Eigenschaften für die Adoption hergestellt und zu entsprechenden Preisen angeboten werden.

KNA: Was ist Ihr Anliegen?

Fürst: Wir dürfen das grundlegende Bewusstsein dafür nicht verlieren, dass der Ursprung des menschlichen Lebens seinen authentischen Ort in der ehelichen Paarbeziehung hat. Die Weitergabe des Lebens ist die Konsequenz der Liebe und der Sexualität dieser Menschen, die einander eng verbunden sind. Deshalb kann Fortpflanzung nach unserer Überzeugung nicht durch eine Eizell- oder Samenspende einer dritten Person ermöglicht werden. Wir dürfen das Kindeswohl nicht aus den Augen verlieren.

KNA: Und die anderen Methoden?

Fürst: Hinter dem Vollchromosomen Screening verbergen sich Tests, die Chromosomenabweichungen jeglicher Art und sogar die Geschlechtschromosomen feststellen. Diese teilweise widerrechtlichen Tests und auch die Präimplantationsdiagnostik dienen in aller Regel dazu, menschliches Leben, das nicht einer bestimmten Norm entspricht, im Frühstadium auszusondern und zu vernichten. Diese Art von Selektion ist ethisch verwerflich und abzulehnen. Die UN-Behindertenkonvention spricht hier eine eindeutige Sprache. Es ist gerade die Frage unseres Umgangs mit Krankheit und Behinderung, an der sich die Menschlichkeit unserer Gesellschaft festmacht. Jedes gebrechliche und behinderte Leben ist lebenswert und bedarf unseres besonderen Schutzes.

KNA: Auch homosexuelle Paare sehen Chancen, über Leihmutterschaft und Ähnliches eigene Kinder zu bekommen. Was sagen Sie dazu?

Fürst: Wir bringen Menschen mit homosexueller Orientierung den gleichen Respekt entgegen wie allen anderen Menschen und wünschen ihnen ein geglücktes Leben. Aber die Zeugung und Erziehung von Kindern hat ihren Platz in der Ehe als lebenslange Verbindung von Mann und Frau. Ein Kind braucht nach unserer Überzeugung einen Vater und eine Mutter. Es ist ein eigenes menschliches Individuum, dem selbst Rechte zukommen - aber auf das niemand ein Recht hat. Für die Eltern bleibt es immer ein Geschenk: unverfügbar, ihnen anvertraut.

Die Leihmutterschaft ist - unabhängig davon, wer sie in Anspruch nimmt - ein ethisch völlig inakzeptables Mittel, einen Kinderwunsch zu erfüllen. Sie stellt einen Angriff auf die Menschenwürde aller dar, die an diesem Geschehen beteiligt sind.

KNA: Inwiefern?

Fürst: Sie instrumentalisiert die Frauen, die sich oft aufgrund wirtschaftlicher Zwänge gedrängt sehen, ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Sie behandelt Kinder wie Objekte, über die Verträge abgeschlossen werden. Die für eine gesunde Entwicklung so wichtige Mutter-Kind-Bindung, die schon im Mutterleib beginnt, wird im Kern gestört. All dies Kindern zuzumuten ist mit verantwortungsvoller Elternschaft nicht vereinbar.

KNA: Viele Paare lassen sich inzwischen auch im Ausland behandeln. Wäre es dann nicht doch besser, das Ganze auch hier anzubieten, um die Kontrolle nicht ganz außer Hand zu geben und die hohen deutschen Standards zu garantieren, wie man es von Befürwortern oft als Argument hört?

Fürst: Nein. Die in der Tat hohen ethischen Standards unserer Rechtsordnung bestehen ja gerade in der Ablehnung bestimmter ethisch fragwürdiger Praktiken. Die dargestellten ethischen Einwände gegen diese Praktiken, die sich etwa aus dem Schutz der Menschenwürde oder dem hohen Gut des Kindeswohls ergeben, können aus unserer Sicht nicht durch ein vermeintlich gut geordnetes deutsches Verwaltungsverfahren ausgeräumt werden. Sie sind prinzipieller Natur. Wir sprechen uns daher nachdrücklich dafür aus, das Lebensschutzniveau unseres Rechts beizubehalten.

KNA: Was sagen Sie persönlich einem Paar, das darunter leidet, keine Kinder bekommen zu können, und das sich dann an solche und ähnliche Strohhalme klammert, um seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen zu können?

Fürst: Dass es ein natürlicher und nachvollziehbarer Wunsch ist, Kinder zu bekommen. Eltern zu sein ist eine erfüllende Lebensaufgabe.

Aber wir müssen auch anerkennen, dass das menschliche Leben Grenzen hat und dass sein Entstehen unverfügbar ist. Es geht uns ja auch in anderen Bereichen des Lebens so, dass wir oft Pläne, Erwartungen und Wünsche nicht realisieren können. Mit solchen enttäuschten Erwartungen und unerfüllten Wünschen umzugehen, ist ein schmerzhafter Prozess, gehört aber zum Menschsein. Als Kirche wollen wir im Leid beistehen, zuhören und begleiten, um Perspektiven für ein sinnerfülltes Leben aufzuzeigen. Dass es solche gibt und dass sie das anfängliche Leid sogar in Zuversicht verwandeln können, glaube ich und erfahre ich immer wieder.

KNA: Sollte die Messe verboten werden? Oder genau beobachtet? Oder was wäre die angemessene Reaktion?

Fürst: Ob eine solche Messe, in deren Rahmen in großem Stil in Deutschland unerlaubte Praktiken vorgestellt werden, verboten werden sollte, obliegt nicht meiner Beurteilung. Dazu sind staatliche Stellen berufen. Ich wünsche mir allerdings eine gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit neuen reproduktionsmedizinischen und pränataldiagnostischen Möglichkeiten. Darüber wird nach meiner Wahrnehmung bisher zu wenig gesprochen.

KNA: Mit welchem Effekt?

Fürst: So entsteht der Eindruck, dass wir Menschen uns in der Fortpflanzung dem technologischen Fortschritt zu unterwerfen haben.

Besonders Frauen, die mit schwierigen Fragen alleingelassen werden, spüren den Druck, alles, was machbar ist, auch umzusetzen. Das gilt vor allem für die vorgeburtliche Diagnostik. Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken, welche dieser Möglichkeiten der unantastbaren Würde des Menschen gerecht werden und welche nicht. Nur so können wir sicherstellen, dass der medizinische Fortschritt dem Menschen wirklich dient.

Das Interview führte Gottfried Bohl.


Bischof Gebhard Fürst im Dialog / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Gebhard Fürst im Dialog / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA