domradio.de: Jugendliche sieht man relativ selten im Gottesdienst. Ist das eine Gruppe, an die die Kirche nicht mehr herankommt?
Ulrich Boom (Weihbischof von Würzburg): Ich weiß nicht, ob sie an die Menschen nicht mehr heran kommt. Vielleicht haben wir da manchmal Verständigungsschwierigkeiten oder es deckt sich nicht mit den Lebenswelten junger Leute. Wenn ich bei uns in die Diözese Würzburg am Vormittag in einen Gottesdienst schaue, sind da nicht viele Jugendliche. Dafür finden wir viele Jugendliche und junge Erwachsene in der Abendmesse am Dom. Es kommen viele Jugendliche zu einer Zeit, wo wir nicht mit ihnen rechnen.
domradio.de: Sie sind als Weihbischof auch für die Firmungen zuständig. Wie stehen die Jugendlichen zu dem Glauben?
Boom: Vielleicht ist manches distanzierter. Was ich erfahre: Es ist eine hohe Sensibilität da, wenn es um große Themen wie Tod und Krankheit geht. Die hohe Sensibilität bezieht sich aber auch auf das Weltgeschehen. Das Leben muss mit dem Glauben in Verbindung gebracht werden. Die Jugendlichen sind vielleicht nicht gleich im Raum der Kirche – also in dem Gebäude - aber sie sind dem Glauben nicht fern. Da müssen wir ganz gewaltig unterscheiden.
domradio.de: Das heißt, die Kirche muss auch neue Wege finden, um an die Jugendlichen heranzukommen?
Boom: Wir müssen die Menschen reden und erzählen lassen und mit ihnen mitgehen. Oft bedeutet das mitgehen aber auch: Anwalt sein für die jungen Menschen. Vielleicht sind wir das zu wenig. Es gibt da vielleicht die Erwartung, dass wir sie einspannen oder rekrutieren wollen. Aber nein – darum geht es nicht. Auch Jesus rekrutiert nicht, er geht mit den Menschen.
domradio.de: Wie kann man denn Anwalt sein für junge Menschen?
Boom: Indem man versucht, sie zu verstehen. Verstehen heißt nicht, alles gut zu heißen. Aber dass ich verstehe, warum sie so sind, aus welchen Lebenswelten sie kommen, wo sie auch hin und her gezogen sind. Und das meine Lebenszeit als Jugendlicher anders war als bei den jungen Leuten heute.
domradio.de: Der Vatikan schickt gerade eine Umfrage an die Bistümer heraus, auf die die Jugendlichen antworten sollen. Da geht es auch um Sexualität oder die Meinung nichtgläubiger Jugendlicher. Erwarten Sie da eine Überraschung?
Boom: Da wird nicht viel Neues kommen. Mit Blick auf die Sexualität gibt es bestimmt andere Sichtweisen als die, die wir als Ältere haben. Oder mit Blick auf Jugendliche, die aus anderen Religionen kommen: Religion spielt dort eine andere und viel größere Rolle als bei unseren christlichen Jugendlichen. Wenn wir das so wahrnehmen – das kann eine große Hilfe sein.
domradio.de: Das heißt, die Jugendlichen könenn von andersgläubigen Jugendlichen auch etwas lernen?
Boom: Die Jugendlichen können sicherlich auch von den andersgläubigen Jugendlichen lernen, dass Glaube etwas Gutes ist. Dass ich vertrauen darf, dass da im Leben eine Kraft da ist.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.