Martin Luther (1483-1546) habe den Frauen damals trotz einiger heute kritisch zu bewertenden Zuschreibungen über ihre Aufgaben in Familie und Haushalt neue Möglichkeiten eröffnet, sagte die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Ostermontag in einem Interview von NDR Kultur Radio.
"Priester, Bischof, Papst"
Durch Luthers Überzeugung, dass jeder getaufte Mensch "Priester, Bischof, Papst" sei, habe er theologisch die Vorarbeit zur Zulassung von Frauen zum Pfarr- und Bischofsamt geleistet, betonte die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Landesbischöfin.
"Luther sagte, nicht nur wenn du im Zölibat, also im Kloster in Keuschheit lebst, bist du ein guter Mensch vor Gott, sondern auch mit Sexualität, Familie, Kindern, Gebären kannst du ein gutes, gerechtfertigtes Leben vor Gott führen". Deshalb habe er auch die Heirat von ehemaligen Mönchen und Nonnen propagiert.
Sexualität als gute Gabe
Auch die Sexualität habe er durchaus sinnesfreudig gesehen, sagte Käßmann. Zwar habe er Katharina von Bora erst mit 41 Jahren geheiratet und bis dahin zölibatär als Mönch gelebt, "aber das, was er dazu sagt und schreibt, zeigt schon, dass Lust erlaubt ist". Er habe Sexualität als eine gute Gabe gesehen, auch wenn sie nicht aufs Kinderzeugen ausgerichtet war.
Das evangelische Pfarrhaus sei eine großartige Erfindung Martin Luthers und der anderen Reformatoren gewesen, unterstrich die Reformationsbotschafterin. Sie wolle es allerdings auch nicht überhöhen. Käßmann zitierte den Spruch "Pfarrers Kinder, Müllers Vieh, gedeihen selten oder nie. Wenn sie aber wohlgeraten, spricht die Welt von ihren Taten". Literatur und Musik hätten in vielen Pfarrhäusern eine große Rolle gespielt. Aus dieser Konstellation seien im Lauf der Zeit viele bedeutende Schriftsteller, Philosophen und Musiker hervorgegangen.