Neue Runde im Streit um den Sonntagsschutz angekündigt

Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung

Häufig haben in der Vergangenheit Gerichte darüber entschieden, wie weit der Sonntagsschutz reicht. Am heutigen Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht erneut über einen Fall. Die wichtigsten Daten der Auseinandersetzung:

NRW-Wirtschaftsminister gegen mehr verkaufsoffene Sonntage / © Gero Breloer (dpa)
NRW-Wirtschaftsminister gegen mehr verkaufsoffene Sonntage / © Gero Breloer ( dpa )

1892: Die von Kaiser Wilhelm II. 1891 erlassene Gewerbeverordnungsnovelle tritt mit ihrem Bestimmungen zum Sonntagsschutz in Kraft. Danach besteht erstmals ein generelles Verbot der Sonntagsarbeit; allerdings gab es umfangreiche Ausnahmen, auch für den Handel mit frischen Lebensmitteln.

1900: Im Deutschen Reich tritt ein erstes Ladenschlussgesetz in Kraft. Geschäfte dürfen an Werktagen nur noch von 5.00 bis 21.00 Uhr öffnen. Allerdings gibt es Sondergenehmigungen für Lebensmittelgeschäfte, Kioske und Bäckereien sowie eine entsprechende Verlegung der Sonntagsruhe auf Samstage für jüdische Geschäfte.

1919/1949: Die Sonntagsruhe wird 1919 im Artikel 139 der Weimarer Reichsverfassung verankert: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt." Diese Formulierung wird 1949 in Artikel 140 des Grundgesetzes übernommen.

1956: Nach dem ab 1957 geltenden Ladenschlussgesetz dürfen Geschäfte montags bis freitags von 7.00 bis 18.30 Uhr und samstags bis 14.00 Uhr geöffnet sein; ausgenommen sind Einrichtungen wie Tankstellen, Kioske, Bahnhofsgeschäfte, Apotheken und Gaststätten. Im Juli 1957 wird der «lange Samstag» eingeführt. Kunden können an jedem ersten Samstag im Monat bis 18.00 Uhr einkaufen.

1960: Läden dürfen an den vier Adventssamstagen bis 18.00 Uhr öffnen.

1996: Eine Novellierung des Ladenschlussgesetzes erlaubt den Geschäften erstmals, an Werktagen bis 20.00 Uhr zu öffnen, an Samstagen bis 16.00 Uhr. Bäcker dürfen erstmals frische Sonntagsbrötchen verkaufen. Vorher gab es sie nur an der Tankstelle.

2003: Die Ladenöffnungszeiten werden auch für Samstage bis 20.00 Uhr verlängert. Anlässlich von Märkten, Messen und ähnlichen Veranstaltungen werden vier verkaufsoffene Sonn- und Feiertage pro Jahr möglich. Die Verkaufszeit darf fünf Stunden nicht überschreiten, muss um 18.00 Uhr beendet sein und außerhalb der Zeiten der Hauptgottesdienste liegen.

2006: Im Zuge der Föderalismusreform überträgt der Bund den Ländern die Zuständigkeit für den Ladenschluss.

2009: In einem Grundsatzurteil zu Klagen der beiden Kirchen legt das Bundesverfassungsgericht dar, dass es einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Sonntags gibt. Er erstrecke sich nicht nur auf das Grundrecht der Religionsfreiheit, sondern sorge auch dafür, dass die Menschen sich erholen und ihr soziales Zusammenleben organisieren könnten. Ermöglicht würden damit auch der Schutz von Ehe und Familie sowie die Erholung und Erhaltung der Gesundheit. Ein bloß wirtschaftliches Interesse genüge grundsätzlich nicht, um die Ladenöffnung an diesen Tagen ausnahmsweise zu rechtfertigen. Läden dürften sonntags nur öffnen, wenn es einen externen Anlass gibt, etwa ein Fest, eine Veranstaltung oder einen Weihnachtsmarkt.

November 2014: Das Bundesverwaltungsgericht setzt der Ausweitung der Sonntagsarbeit Grenzen. Eine Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken, Büchereien und Callcentern an Sonn- und Feiertagen sei nicht erforderlich, um besondere Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken.

2015: Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, dass die Ladenöffnung am Sonntag in "engem räumlichen Bezug zu einem konkreten Marktgeschehen stehen muss". Zugleich müsse prognostiziert werden können, dass dieser konkrete Anlass für sich genommen einen beträchtlichen Besucherstrom anzieht, der über die Besucherzahlen bei alleiniger Sonntagsöffnung hinausgeht. Der besondere Anlass soll den Charakter des Tages prägen, die Ladenöffnung nur das Anhängsel sein.


Quelle:
KNA