domradio.de: Altena ist nominiert worden vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, die Jury hat sich für Altena entschieden weil sich die Kommune "in beispielgebender Weise um die Integration von Migrantinnen und Migranten in unsere Gesellschaft verdient macht." Was genau machen Sie denn da so anders und besser?
Stefan Kemper (Kämmerer von Altena und Diözesanratsmitglied, Sprecher des Kreiskatholikenrates): Wir haben uns von Anfang an relativ intensiv um jede Familie und jeden Flüchtling persönlich gekümmert. Dafür haben sich Paten gefunden, die in die Familien reingehen, die sie bei Behördengängen begleiten oder Fragen zum Wohnumfeld klären.
Wir haben erlebt, dass es einen persönlicheren Zugang gibt. Angela Merkel hat das auch hervorgehoben. Das erleichtert es den Geflüchteten, sich einzuleben und zu integrieren. Und uns war die sprachliche Integration wichtig, weil wir festgestellt haben, dass Sprache ein wichtiges Handwerkszeug im Leben ist. Es ist für jeden Menschen wichtig, wenn man sich miteinander verständigen kann. Das sind unsere beiden Türe, die wir öffnen.
domradio.de: Ihr Bürgermeister hatte 2015 schon gesagt: Wir nehmen freiwillig 100 Flüchtlinge mehr in Altena auf, als der Stadt zugewiesen wurden. War das eine Weichenstellung?
Kemper: Das war durchaus die Weichenstellung. Wir haben mehrere Gespräche mit der Landesregierung geführt. Die war anfangs nicht so überzeugt, dass das gelingen kann. Aber es hat funktioniert.
domradio.de: Wie haben Sie die Menschen untergebracht?
Kemper: Man muss wissen, dass wir in Altena seit den 70er Jahren Einwohnerverluste haben. Deshalb können wir diese Menschen auch in den einzelnen Stadtteilen und zentral unterbringen. Wir haben keine Flüchtlingsunterkünfte oder -heime, sondern wir haben in den Stadtteilen freie Wohnungen und nutzen unseren demografischen Nachteil.
domradio.de: Was heißt das praktisch, dass das Mitbürger sind?
Kemper: Das gelingt in dem Fall einfacher. Ich will aber auch nicht sagen: problemlos. Es gibt teils auch ein Zusammenleben in Sechs- oder Achtparteienhäusern. Da gibt es im Alltagsleben auch Schwierigkeiten – ähnlich wie bei uns. Das versuchen die Paten zu schlichten. Das gelingt gut. Aber auch nicht immer gut. Das ist gelebter Alltag. Und es geht darum, sich ganz normal miteinander bekannt zu machen und miteinander zu leben.
domradio.de: Wie binden Sie die Geflüchteten in Ihre Gemeindearbeit ein?
Wir haben Kontakt zu einigen katholischen Gemeindemitgliedern, die auch ganz normal in unserer Gemeinde leben. Es gibt Familien, die auch schon weiter gezogen sind, andere sind zu uns gekommen aus anderen Städten. Wir versuchen das nicht mit Gottesdiensten, sondern auf der persönlichen Ebene. Die Menschen, die vor zwei oder drei Jahren als Flüchtlinge gekommen sind, die sind jetzt ganz normale Gemeindemitglieder und auch vielfach zu Freunden geworden. Das unterscheidet sich gar nicht mehr von den anderen Gemeindemitgliedern.
domradio.de: Was bedeutet der Preis für Sie, der Nationale Integrationspreis, mit dem Ihr Engagement jetzt von der Bundesregierung gewürdigt wird?
Das stärkt auf jeden Fall unser Engagement. Wir können auch von den anderen lernen, um uns auch zu verbessern. Zurzeit sind die Flüchtlingszuzüge in den Kommunen auch eher übersichtlich. Das heißt, wir können in Ruhe die nächsten Schritte angehen in Richtung Arbeitsvermittlung. Handwerke, Gewerbe und Industrie haben jetzt die Aufgabe, diese Menschen mit Arbeit in Kontakt zu bringen und auch an dieser Stelle zum Mitbürger zu machen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.