Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der G20 am 7. Juli zum Konzert in der Elbphilharmonie treffen, dann werden in vielen Gotteshäusern Norddeutschlands 21 Glockenschläge ertönen. Sie rufen zu 21-minütigen Andachten, bei denen die Christen um den Frieden beten wollen. Die Zahl 21 soll nach Angaben der großen Kirchen daran erinnern, dass am Verhandlungstisch der G20 wichtige Stimmen fehlen, insbesondere Länder aus dem globalen Süden.
Kritische Begleitung des Gipfels
Die Friedensgebete sind eine von vielen Aktionen, die die Kirchen rund um das zweitägige G20-Gipfeltreffen starten. Die evangelische Nordkirche und das katholische Erzbistum Hamburg rufen gemeinsam mit weiteren kirchlichen Initiativen zur kritischen Begleitung des Ereignisses auf: "global gerecht gestalten" heißt das Motto des eigens gegründeten Bündnisses.
Grundsätzlichen Widerstand gegen das Treffen der G20 wolle man aber nicht leisten, wie Erzbischof Stefan Heße betont. Denn zunächst einmal sei es ja nicht verkehrt, wenn Staatschefs zusammenkommen, um miteinander zu reden. "Ich halte es für wichtig, dass es diese Gipfeltreffen gibt." Sie böten eine Chance, das Leben der benachteiligten Menschen zu verbessern. Seine evangelische Kollegin, Kirsten Fehrs, bringt es auf den Punkt: "Wir sind nicht gegen G20, sondern gegen Umweltzerstörung und ungerechte Wirtschaftsstrukturen."
Kein aktiver Aufruf zu Demonstrationen
Offiziell ruft das kirchliche Bündnis nicht zur Teilnahme an Demonstrationen auf. Im Mai gaben Heße und Fehrs jedoch bekannt, dass sie sich einer Protestaktion unter dem Motto "Hamburg zeigt Haltung" anschließen - als Einzelpersonen. Neben den beiden Bischöfen sind weitere Prominente dabei vertreten, darunter Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) und der frühere Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Die Beteiligten rufen zu einer Demonstration am 8. Juli auf, die friedlich von der Hauptkirche Sankt Katharinen zum Fischmarkt ziehen soll. Zuvor ist ein ökumenischer Gottesdienst geplant. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit rund 10.000 Teilnehmern.
Eine kleine Zahl angesichts der rund 75.000 Demonstranten, die zu einer Parallelveranstaltung erwartet werden. Unter dem Motto "Grenzenlose Solidarität statt G20" wollen sie nur wenige Straßen weiter durch die Innenstadt ziehen. "Wir werden unsere Ablehnung der kalten und grausamen Welt des globalen Kapitalismus deutlich machen, wie sie von den G20 repräsentiert und organisiert wird", schreiben die Linke, Attac, Robin Wood und weitere Gruppen in ihrem Aufruf. Auch wenn die Organisatoren Gewalt ablehnen, schließen die Behörden Krawalle nicht aus.
Gedämpfte Erwartungen
Die Erwartungen kirchlicher Vertreter an den Gipfel sind indes gedämpft: Er sei "eher skeptisch als zuversichtlich", sagte Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Vielleicht müsse man es schon als Wert an sich betrachten, dass der Gipfel überhaupt stattfinde "in diesen unruhigen, nationalistische orientierten Zeiten". Dringend erforderlich ist aus seiner Sicht eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Armen.
Der katholische Sozialbischof Franz-Josef Overbeck aus Essen wünscht sich zudem Fortschritte im Einsatz für den Frieden im mittleren und Nahen Osten sowie im Kampf gegen die globale Erwärmung. "Angesichts der augenblicklichen Verfassung der internationalen Gemeinschaft ist hier aber große Skepsis angebracht", so Overbeck.
Eine kritische Auseinandersetzung mit den G20-Themen fand bereits im Vorfeld des Gipfels statt. Mitte Juni kamen Vertreter von Nichtregierungsorganisationen aus über 50 Ländern zum sogenannten Civil20-Gipfel in Hamburg zusammen, darunter auch Misereor. Globale Gesundheit, Klimaschutz und die Beziehung der G20 zu Afrika standen auf der Tagesordnung. Eine Abschlusserklärung wurde an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben.
Dass die Regierungschefin dafür eigens anreiste, wurde als große Geste gedeutet. Allerdings dämpfte auch Merkel die Erwartungen: "Wir werden nicht alles erfüllen können, was Sie sich vorstellen, aber es geht schrittweise voran."