Die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten wollten den Vorschlag der EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel weder mit qualifizierter Mehrheit annehmen noch ablehnen, wie aus EU-Kreisen gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) verlautete. Die Kommission hatte eine Neuzulassung von fünf Jahren vorgeschlagen.
Aktuelle Zulassung läuft Mitte Dezember aus
Die Kommission kann jetzt entweder einen neuen Vorschlag erarbeiten oder einen Berufungsausschuss mit ranghöheren Vertretern der Mitgliedstaaten einberufen, der über den aktuellen Vorschlag abstimmt. Wenn auch dieser kein Ergebnis erreichen würde, müsste die Kommission die Entscheidung über die Neuzulassung von Glyphosat allein treffen. Die aktuelle Zulassung läuft Mitte Dezember aus.
Für eine Annahme wie für eine Ablehnung des Vorschlages war im EU-Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel eine qualifizierte Mehrheit nötig gewesen. Diese ist erreicht, wenn 55 Prozent der Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, dafür oder dagegen sind.
Die EU-Kommission wollte ursprünglich eine Zulassung für weitere fünf Jahre zur Abstimmung stellen. Damit ziele man auf eine Entscheidung, die die größtmögliche Unterstützung der Mitgliedstaaten erhalte und ein hohes Maß an Gesundheits- und Umweltschutz gewährleiste, teilte die Behörde im Vorfeld mit.
Glyphosat ist ein Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln, der rund um die Welt zum Einsatz kommt, vor allem in der Landwirtschaft, aber auch in der Forstwirtschaft, in öffentlichen und privaten Grünanlagen. Das Pflanzenschutzmittel ist jedoch hochumstritten. Hier die Argumente im Überblick:
PRO
Vielseitige Anwendung: Glyphosat ist in den 1970er Jahren zum Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln entwickelt worden. Glyphosat vernichtet Unkraut, damit die erwünschten Nutz- oder Zierpflanzen ungestörter wachsen können. Darüber hinaus kann es dazu dienen, eingeschleppte Pflanzenarten zu bekämpfen, bevor sie heimische Pflanzen verdrängen. Der Wirkstoff wird rund um die Welt und sehr vielfältig eingesetzt, vor allem in der Landwirtschaft, doch auch auf öffentlichen Grünflächen, in Parks und privaten Gärten. Die Deutsche Bahn gebraucht Glyphosat zur Pflege des Gleisbetts.
Risiken überprüft: Zahlreiche Experten haben sich mit möglichen Gesundheits- und Umweltrisiken von Glyphosat beschäftigt. Im Rahmen des aktuellen EU-Neuzulassungsverfahren spielten das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine zentrale Rolle - öffentliche Stellen, deren Auftrag das Wohl der Bürger ist. Erst im September bekräftigte das BfR sein Urteil, "dass beim Menschen bei einer sachgerechten und bestimmungsgemäßen Anwendung in der Landwirtschaft keine krebserzeugenden, erbgutverändernden oder entwicklungsschädigenden Risiken von Glyphosat zu erwarten sind".
In der Landwirtschaft bewährt: Der Deutsche Bauernverband (DBV) macht geltend, dass glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft breite Anwendung finden. Anderen Herbiziden habe es unter anderem voraus, dass jene schneller Resistenzen beim Unkraut hervorrufen könnten - das Unkraut also nicht mehr auf diese Mittel reagiert, erläutert Katja Börgermann vom DBV. "Eine Eins-zu-eins-Alternative für Glyphosat gibt es nicht."
Bodenschutz: "Für den Schutz des Bodens ist Glyphosat von hohem Wert", sagt Thoralf Küchler, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat, die Monsanto, Syngenta Agro, Cheminova und weitere Firmen vereint, die Glyphosat-Produkte vertreiben. Küchlers Argument: Die Alternative zum Schutz durch Pestizide ist das Pflügen. Dabei werde die Bodenstruktur zerstört und wertvolle Ackerkrume könne durch Wind und Wasser abgetragen werden. Außerdem werde beim Pflügen Kraftstoff verbraucht und damit klimaschädliches Kohlendioxid frei.
KONTRA
Mögliche Risiken: Zwar haben mit BfR und EFSA renommierte Stellen für die Wiederzulassung grünes Licht gegeben. Aber auch die Gegenseite kann viele Studien und Stellungnahmen aufbieten. Mit am prominentesten ist die Warnung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC). Sie stellte im März 2015 fest, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserzeugend bei Menschen" sei. An diesem Urteil hält die IARC fest.
Rückstände im Menschen: Glyphosat bleibt nicht auf dem Feld, sondern findet sich mittlerweile auch in vielen Menschen. Das ist das Ergebnis einer Studie, bei der im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung der Urin von rund 2.000 Bürgern aus Deutschland untersucht wurde. Bei 75 Prozent der Bürger lag die Belastung mit mindestens 0,5 Nanogramm/Milliliter um ein Fünffaches höher als der Grenzwert für Trinkwasser, erklärte die Stiftung Anfang 2016. Seither sieht sie sich durch andere Untersuchungsergebnisse bestätigt.
Nicht alternativlos: Die Unkrautbekämpfung gelinge Bio-Bauern ganz ohne Glyphosat, macht der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) geltend. "Bio-Bauern setzen auf Vielfalt in der Fruchtfolge, eine intelligente Verteilung ihrer Pflanzen-Kulturen und den Einsatz modernster Technik in der mechanischen Bodenbearbeitung", erklärt BÖLW-Sprecherin Joyce Moewius.
Gentechnik: Wer Bedenken gegen Gentechnik hegt, wird Glyphosat noch skeptischer begegnen. Denn beides wird vielfach kombiniert. Da das Gift nicht nur Unkraut abtötet, werden Nutzpflanzen durch Genveränderung resistent gemacht. Insbesondere der Glyphosat-Hersteller Monsanto selbst vermarktet glyphosatresistente Pflanzen, zum Beispiel genverändertes Soja.