domradio.de: Warum hat das Gericht die Klage abgewiesen?
Pfr. Dr. Antonius Hamers (Leiter des katholischen Büros NRW): Das Gericht hat die Klage abgewiesen, weil die beiden Islamverbände keine umfassende Autorität in der jeweiligen Konfession für ihre Mitglieder haben. Das Gericht spricht von einer Sachautorität und Sachkompetenz, die für religionsstiftende Aufgaben in den jeweiligen Verbänden vorhanden sein muss.
Das heißt, dass die Verbände den Inhalt der Konfession jeweils vorgeben, gestalten, beschreiben müssen und das ist in diesem Fall nicht gegeben, weil die Organisationen nicht über eine umfassende Auskunft und Autorität verfügen. Sie sind im Grunde genommen Organisationseinheiten, aber keine übergreifende Religionsgemeinschaft.
domradio.de: Können Sie diese Entscheidung des Gerichts nachvollziehen?
Hamers: Ich finde, dass wir in der Bundesrepublik ein gutes Religionsverfassungsrecht haben und meine, dass dieses Religionsverfassungsrecht auch für unterschiedliche Religionen offen ist. Es stellt bestimmte Anforderungen, damit eine Gruppierung auch als Religionsgemeinschaft akzeptiert werden kann.
Diese Voraussetzungen sind sicherlich nicht nur auf die christlichen Kirchen bezogen, sondern auch darüber hinaus. Auch die jüdischen Gemeinschaften haben einen entsprechenden Status. Insofern finde ich dieses Religionsverfassungsrecht gut, aber es muss eben gewährleistet sein, dass die einzelnen Gruppierungen diese Voraussetzungen erfüllen.
domradio.de: Die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) begrüßt das Urteil und kündigt an, den islamischen Religionsunterricht auch nach 2019 in NRW anbieten zu wollen. Ist damit das Ziel der Verbände nicht erreicht?
Hamers: Das Ziel der Verbände ist, was diesen Religionsunterricht angeht, natürlich nur zum Teil erreicht. Wir haben den begrenzt islamischen Religionsunterricht in NRW bis 2019 – das ist auch gut so. Wir haben als katholische Kirche immer gesagt, es soll auch einen muslimischen Religionsunterricht geben, dieser muslimische Religionsunterricht muss aber den Voraussetzungen des Artikels 7/ Absatz 3 des Grundgesetzes – der den Religionsunterricht grundlegt – entsprechen.
Das heißt für uns vor allem, dass ein guter Religionsunterricht gewährleistet ist; dass wir Leute haben, die entsprechend ausgebildet sind, sprich studiert haben; dass der Religionsunterricht in der Landessprache erteilt wird und sich in den Schulunterricht an den allgemeinbildenden Schulen einfügt. Das steht außer Frage.
Zurzeit wird der muslimische Religionsunterricht in NRW inhaltlich durch einen Beirat bestimmt, der sich aus unterschiedlichen muslimischen Gruppierungen, aber auch durch staatliche Vertreter zusammensetzt. Die beiden muslimische Verbände, da gehe ich von aus, werden sagen: Wir wollen unseren eigenen Religionsunterricht haben. Wir wollen keinen Religionsunterricht, dessen Inhalt von einem Beirat bestimmt wird, sondern wir wollen den Inhalt und die Ausgestaltung des Religionsunterrichts selbst bestimmen können.
domradio.de: Wie stellen Sie sich einen islamischen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in Zukunft vor?
Hamers: Bisher wird ja, wie gesagt, der Inhalt über diesen Beirat mitgestaltet. Das ist sicherlich für eine Übergangszeit akzeptabel, aber insgesamt sind wir der Meinung, dass Religionsunterricht in der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Religionsgemeinschaft erteilt werden muss.
Das heißt, dass dann in den jeweiligen Verbänden dafür gesorgt werden muss, dass ein qualitativ hochwertiger Religionsunterricht angeboten wird: dass die Religionslehrer ein entsprechendes Studium absolviert haben; dass der Inhalt des Religionsunterrichts auch wissenschaftlichen Standards entspricht – Kriterien, die auch bei unserem Religionsunterricht angelegt werden.
Wir haben ein großes Interesse daran, dass der Religionsunterricht nicht insgesamt in Frage gestellt wird. In Frage gestellt wird der Religionsunterricht dann, wenn die Qualität nicht stimmt. Deshalb möchten wir, dass ein qualitativ hochwertiger Religionsunterricht gegeben wird und zwar selbstverständlich in allen Konfessionen. Wir haben ein Interesse daran, dass die jeweilige Religionsgemeinschaft letztlich alleine über diese Inhalte bestimmen kann. Deswegen ist diese Beiratslösung, die wir jetzt in NRW haben, im Grunde ein Hilfskonstrukt.
Es kann nach unserem Dafürhalten keine dauerhafte Lösung sein. Wir wollen ja für unseren katholischen Religionsunterricht auch nicht, dass der Staat reinredet, wie wir unseren Religionsunterricht zu erteilen haben. Langfristig ist anzustreben, dass auch der muslimische Religionsunterricht inhaltlich bestimmt werden kann ohne eine Beiratssitzung; aber für den Übergang ist dies sicherlich ein probates Mittel.
Das Gespräch führte Silvia Ochlast.