Chicagos Erzbischof Blase Cupich bekam vor einem Jahr das Kardinalsbirett. Seitdem gilt er als wichtigstes Sprachrohr von Papst Franziskus in der US-Bischofskonferenz. Damit gehört er dort einer Minderheit an, die nach Einschätzung von Insidern etwa ein Drittel der US-Bischöfe ausmachen.
Ein weiteres Drittel besteht aus Konservativen, die sich ganz in der Tradition von Benedikt XVI. (2005-2013) und Johannes Paul II. (1978-2005) sehen. Dazu gehören etwa Philadelphias Erzbischof Charles Chaput oder auch der Erzbischof von Kansas, Joseph Naumann. Ihnen ist der Kurs von Franziskus zu schwammig.
Wichtige Personalentscheidung
Der Vorsitzende der US-Bischöfe, Kardinal Daniel DiNardo aus Galveston-Houston, vertritt eine gefühlte Mitte der Bischofskonferenz. Er galt früher als eher konservativ, bewegte sich aber zuletzt deutlich auf Franziskus zu. So sorgte DiNardo dafür, dass der Berater der Konferenz für Lehrfragen, Pater Thomas Weinandy, kürzlich den Hut nehmen musste, nachdem er den Papst in einem Brandbrief kritisiert hatte.
Wenn die katholischen US-Bischöfe diese Woche in Baltimore zu ihrer Herbstvollversammlung zusammenkommen, steht eine Personalentscheidung an, die zeigen dürfte, ob Franziskus das Kräfteverhältnis innerhalb der Konferenz stärker in seine Richtung verändern kann. Es geht um den Vorsitz des Komitees für "Lebensschutzaktivitäten", für den Kardinal Cupich und Erzbischof Neumann aufgestellt sind. Beide lehnen - natürlich - Abtreibung ab; und doch betrachten sie den Umgang mit dem schwierigen Thema aus sehr unterschiedlichen Perspektiven.
Unterschiedliche Wertigkeit
Cupich vertritt wie Papst Franziskus eine sozusagen "ganzheitliche" Sichtweise. Soll heißen: Abtreibung, Todesstrafe und die Sorge für die Armen, Einwanderer und Kranken sind verschiedene Aspekte desselben großen Anliegens. Naumann dagegen bewertet Abtreibung als ein alles andere überragendes Thema. Der Erzbischof hatte Barack Obamas Gesundheitsministerin Kathleen Sibelius, eine Katholikin aus Kansas, seinerzeit nahegelegt, auf den Empfang der Kommunion zu verzichten, solange sie ihre Position zu Schwangerschaftsabbrüchen nicht ändere.
Auch die Vorsitzenden der Ausschüsse für Kommunikation, kulturelle Vielfalt in der Kirche sowie für Religionsfreiheit werden in Baltimore neu gewählt. Doch die Wahl zum "Pro-Life"-Komitee, so schreibt die Autorin Patti Miller im "Wall Street Journal", "verkörpert gewissermaßen die Auseinandersetzung innerhalb der Kirche". Millers Buch "Gute Katholiken: Der Kampf um Abtreibung in der katholischen Kirche" vermittelt einen guten Überblick über den Verlauf der Linien. Am Ausgang lasse sich ablesen, wie die Dinge in der US-Kirche stünden.
Franziskus-Fraktion der Bischofskonferenz
Bisher hat die Franziskus-Fraktion in der Bischofskonferenz noch nicht viele Erfolge vorzuweisen. So unterlag sie 2015 beim Versuch, den strategischen Vierjahresplan der US-Bischöfe um Prioritäten des Papstes zu ergänzen. Anfang 2017 scheiterten sie damit, eine dauerhafte Etablierung des Komitees für Religionsfreiheit zu verhindern.
"Die institutionelle Kirche" in den USA, so Miller, sei wegen des Abtreibungsthemas sehr eng mit der "institutionellen Republikanischen Partei" verbunden gewesen. Ein Grund mehr, warum der Ausgang der Abstimmung über den Komitee-Vorsitz eine wichtige Weichenstellung sei.
Cupich, wie sein Gegenkandidat Naumann ein entschiedener Gegner der gegenwärtigen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch, will die US-Kirche auf eine konsequente "Ethik des Lebens" einschwören, wie er es einmal in einem Meinungsbeitrag für die "Chicago Tribune" beschrieb. Die Menschen seien zurecht angewidert von der Abtreibungspraxis; "sie dürften aber genauso abgestoßen sein von der Indifferenz gegenüber Tausenden Menschen, die täglich sterben, weil sei keine ordentliche medizinische Versorgung bekommen", oder gegenüber jenen, die "im Namen des Staates hingerichtet werden".