domradio.de: Welche Rolle spielen denn die Rüstungsexporte in den aktuellen Gesprächen zwischen den Jamaika-Unterhändlern?
Christine Hoffmann (Sprecherin der Kampagne "Aktion Aufschrei" und Generalsekretärin der katholischen Friedensbewegung Pax Christi Deutschland): Wenn ich Dienstag an die Tagesschau denke: Da haben wir den Grünen Cem Özdemir gehört, der deutlich gesagt hat: Fluchtursachen müssen bekämpft werden, indem wir Rüstungsexporte begrenzen. Markus Löning von der FDP hat betont, man müsse Rüstungsexporte nach Saudi Arabien überdenken. Es scheint also Thema zu sein.
domradio.de: Wie stehen denn die sondierenden Parteien zum Thema Rüstungsexporte? Was haben Sie da aus den Wahlprogrammen herausgelesen?
Hoffmann: Die CDU hat sich da nicht wirklich geäußert, aber Grüne und FDP sind in ihren Wahlprogrammen deutlich gewesen. Die Grünen wollen ein Rüstungsexportgesetz. Dafür hat die Partei in der letzten Legislaturperiode schon Eckpunkte vorgelegt, die auch in den Ausschüssen im Bundestag beraten wurden.
Auch die FDP hat sich in ihrem Bundestagswahlprogramm für ein Rüstungsexportgesetz ausgesprochen. Und zwar deswegen, weil die Exporte in Spannungsgebiete zur Destabilisierung beitragen – dort, wo sowieso schon instabile Regionen sind. Insofern gibt es zwei Parteien, bei denen ich darauf setze: Die haben ein Interesse, dass an dem, was Sigmar Gabriel in Sachen Rüstungskontrolle in der letzten Legislaturperiode vorbereitet hat, auch weitergearbeitet wird.
domradio.de: Worum geht es genau bei einem Rüstungsexportgesetz?
Hoffmann: Es geht einfach in der Frage um die Umsetzung des Grundgesetzes. Wir haben ja einen Friedensparagrafen im Grundgesetz – das ist Artikel 26. Der sagt ganz klar: Schon, wer Rüstungsgüter produzieren, verkaufen und außer Landes bringen will, muss die Bundesregierung fragen. Nur sie kann Genehmigungen erteilen.
Im Moment haben wir dafür mehrere Bezugspunkte: Ein Kriegswaffenkontrollgesetz, das alles verbietet, solange es nicht ausdrücklich erlaubt wird. Und gegenläufig ein Außenwirtschaftsförderungsgesetz, das alles erlaubt, solange es nicht ausdrücklich verboten wird. Und dann haben wir die politischen Grundsätze.
Das heißt, vieles ist nicht aufeinander abgestimmt und es existiert kein klares Gesetz. Deshalb kann man als Zivilgesellschaft auch nicht nachhaken und sagen: Es ist doch klar verboten. Statt dessen sind das nur Richtlinien, an denen sich orientiert werden kann oder auch nicht.
Wir sehen ja: Deutschland ist abwechselnd dritt-, viert- oder fünftgrößter Waffenhändler weltweit. Und das kann nicht mit dem Gedanken des Grundgesetzes und des Friedensparagrafen vereinbar sein. Deswegen brauchen wir in dem Punkt eine gesetzliche Klarheit: Ein einziges Ausführungsgesetz für diesen Friedensparagrafen. Deshalb wünschen wir uns dieses Rüstungsexportkontrollgesetz.
domradio.de: Dass das bisher so widersprüchlich und uneinheitlich geregelt ist, ist das auch der Grund dafür, dass Deutschland so viele Waffen nach Saudi Arabien liefern konnte, obwohl das Land im Konflikt mit dem Jemen steckt.
Hoffmann. Ja, ich kann es mir nicht anders vorstellen. Vieles ist im Moment Auslegungssache. Für meine Begriffe muss Deutschland raus aus der Logik, sich durch Waffenlieferungen politischen Einfluss erkaufen zu wollen. Es wird immer erklärt, Saudi Arabien sei ein Stabilitätsanker in der Region und wenn man da Waffen hinliefere, sei man in nahem Kontakt.
Aber das übersieht, dass diese Waffen eingesetzt werden. Im Jemen haben wir das ja ganz klar vor Augen: Es gibt Nachweise, dass deutsche Waffen und deutsche Munition dort auch mit zum Tod von Zivilisten geführt haben. Das ist ja das Problem. Es geht darum, dass Menschenrechtsverletzungen geschehen. Da müssen wir einfach einen Riegel vorschieben.
dormadio.de: Ist also die deutsche Bundesregierung bisher mit für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich?
Hoffmann: In dem Moment, wo sie Waffen in Spannungsgebiete liefert, sehe ich eine ganz starke Mitverantwortung. Und ich sehe eben auch, dass das, was eigentlich in den politischen Grundsätzen für den Rüstungsexport steht, und das, was man in der EU vereinbart wird, überschritten wird. Deswegen wollen wir hier Klarheit.
Das Interview führte Hilde Regeniter.