Rohingya berichten über ihr erfahrenes Leid

"Unvorstellbare Grausamkeiten"

Vater erschossen, Schwester vergewaltigt - Rohingya schildern Schreckliches in einem neuen Bericht einer Kinderrechtsorganisation. Das Leid nimmt auch nach der Flucht kein Ende: In den Flüchtlingslagern mangelt es an allem.

Autor/in:
Maren Breitling
Pure Verzweiflung / © N.N. (CI)
Pure Verzweiflung / © N.N. ( CI )

"Als das Militär in mein Dorf kam, sagten sie, wir müssten Myanmar verlassen. Sie sagten, wir gehören nicht dorthin. Ohne Vorwarnung haben sie meine Eltern vor meinen Augen erschossen" - so berichtet der 16-jährige Nor über seine Erlebnisse. Die Kinderrechtsorganisation Save the Children schrieb Schicksale wie das von Nor auf und stellte den Bericht "Horrors I will never forget" am Donnerstag vor.

Nor ist nun mit seinen kleinen Geschwistern in Bangladesch. "Jetzt sind wir Waisenkinder, und meine Geschwister weinen immer wegen unserer Eltern", erzählt der Jugendliche. Sie verstehen ihm zufolge nicht, dass sie die beiden nie wieder sehen werden. Er versuche, stark zu sein, weil er der Älteste sei.

Unvorstellbare Grausamkeiten

Die Kinder und ihre Familien erlitten laut Save the Children "unvorstellbare Grausamkeiten". Nahezu jedes Kind berichtet von fürchterlichen Geschichten, die es erleben oder mit ansehen musste, wie Helle Thorning-Schmidt, internationale Geschäftsführerin von Save the Children International, sagte. Es handelt sich demnach um Erlebnisse von Rohingya, die sich im Flüchtlingscamp Cox's Bazar in Bangladesch aufhalten.

Um die Flüchtlinge, die ihre Geschichten erzählten, zu schützen, änderte die Organisation ihre Namen. So auch bei Rehema. Laut Bericht erlebte die 24-Jährige mit, wie eine Frau und ein Baby lebendig verbrannt wurden. "Ich sah einen Soldaten, wie er eine hochschwangere Frau mit Benzin übergoss und anzündete." Ein weiterer Soldat riss ihren Angaben zufolge einer anderen Frau ihr Baby aus den Händen und warf es ins Feuer. "Die Schreie werde ich niemals vergessen", sagte die Augenzeugin.

Keine Einzelfälle

"Das Schlimmste an diesen tragischen Geschichten ist, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um systematische Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen handelt", sagte Helle Thorning-Schmidt. Die 40-jährige Kushida beschreibt solche Erlebnisse in ihrem Dorf: "Als das Militär in unser Dorf kam, schnappten sich zwei Soldaten ein 14-jähriges Mädchen. Dann vergewaltigten sie das Mädchen vor dem ganzen Dorf."

Die Leute, die dem Mädchen helfen wollten, verprügelten oder erschossen die Soldaten. Kushida und andere flohen daraufhin in ein benachbartes Dorf. Dorthin kam die 14-Jährige später schwer verletzt. "Ich wusch sie und versuchte, ihre Verletzungen zu behandeln. Sie hatte starke Blutungen und starb nach vier Tagen."

Seit Ausbruch der jüngsten Unruhen im August sind laut UNO-Flüchtlingshilfe (UNHCR) rund 615.500 Rohingya nach Bangladesch geflohen. 60 Prozent davon sind nach Schätzungen von Save the Children Kinder. Thorning-Schmidt erklärte, dass viele Kinder schwer traumatisiert von den schrecklichen Dingen seien, die sie auf der Flucht erlebt hätten. Nun lebten sie im Flüchtlingslager, in dem sie völlig schutzlos seien.

Überfüllte Lager

Auch Dietmar Kappe von UNHCR weist auf die Probleme in den Flüchtlingslagern hin. "Den Flüchtlingen fehlt es an allem, viele sind krank. Der Hilfsbedarf ist daher riesig", sagte Kappe der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Lager seien überfüllt, daher werde dringend zusätzlicher Platz für Unterkünfte benötigt. Ein großes Problem ist laut UNHCR das verunreinigte Trinkwasser, daher grassieren Durchfallerkrankungen. Die UNHCR-Helfer bauen den Angaben zufolge rund 8.000 Latrinen und bohren etwa 60 Brunnen.

Die Tragödie der Rohingya sei derzeit die am schnellsten wachsende Flüchtlingskrise der Welt, resümiert Kappe. Zusätzlich fehlt es demnach an finanziellen Mitteln: "Bisher kamen nur 38,3 von 83,7 Millionen US-Dollar der benötigten Gelder an", so Kappe. Zahlen, wie viele Rohingya in Myanmar sterben mussten, gibt es ihm zufolge nicht.

Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit im mehrheitlich buddhistischen Myanmar. Mehr als 600.000 von ihnen sind seit Ende August gewaltsam von der Armee von Myanmar nach Bangladesch vertrieben worden. Laut dem UN-Kinderhilfswerk Unicef mangelt es in den Lagern grundsätzlich an Nahrung, sauberem Wasser und medizinischer Versorgung.


Quelle:
KNA
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