Die Frankreichdirektorin der Nichtregierungsorganisation One, Friederike Röder, sieht im EU-Afrika-Gipfel eine "bittere Enttäuschung" für Afrikas Jugend. "Die europäischen und afrikanischen Staats- und Regierungsoberhäupter haben es verpasst, sich auf dem Gipfel auf dringend benötigte Maßnahmen zu verständigen, um den Bevölkerungsboom in Afrika bis 2050 in eine für beide Kontinente positive Richtung zu lenken", sagte Röder. Abgesehen vom "Evakuierungsmechanismus" für Libyen seien keine "konkreten Maßnahmen" vereinbart worden, so Röder.
Die Grünen-Parteichefin Simone Peter begrüßte den auf dem Gipfel beschlossenen Evakuierungsplan als "längst überfällig". Der vom libyschen Ministerpräsidenten Fayiz al Sarradsch zugesagte Zugang zu den Flüchtlingslagern müsse nun zügig organisiert werden, um die Menschen in Sicherheit zu bringen, sagte die Grünen-Chefin. Dabei müsse auch die EU Verantwortung übernehmen und rasch Plätze für die Evakuierten zur Verfügung stellen.
Misereor skeptisch
Jonas Wipfler, Referent für Migration und Flucht beim kirchlichen Hilfswerk Misereor, äußerte sich skeptisch zum Flüchtlingsdeal mit Libyen. Gerade die Migrationspolitik der EU habe "in den vergangenen Monaten stark zur Verschärfung der Lage beigetragen", sagte Wipfler dem Magazin "welt-sichten". Migranten und Flüchtlinge innerhalb Afrikas hätten auf gefährliche Routen ausweichen müssen, weil der Grenzschutz verstärkt worden sei. Auch die Ausstattung der libyschen Küstenwache mit Patrouillenbooten durch EU und Italien habe die Menschenrechtslage in Libyen nicht verbessert. "Nach dieser Vorgeschichte scheint mir der Aktionsplan etwas doppelzüngig", so Wipfler.
Der Afrikabeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, sprach von einer Annäherung zwischen EU und Afrika, äußerte sich aber auch skeptisch. Im Radioprogramm SWR Aktuell sagte er: "Verbal haben wir in der Tat sehr viel Zustimmung. Wenn es dann konkret wird, muss man sehen, wie belastbar diese Worte wirklich sind."
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte, es sei ein wichtiger Schritt des EU-Afrika-Gipfels gewesen, den Fokus auf die junge Generation zu legen. "Die Staats- und Regierungschefs müssen endlich erkennen, dass sie in ihre Jugend investieren, Korruption bekämpfen und gute Regierungsführung herstellen müssen", so Müller im Interview mit dem TV-Sender phoenix (Donnerstag). "Afrikas Jugend braucht Zukunft und Arbeit, sonst kommen die jungen Menschen zu uns", sagte Müller.
Wechselseitigkeit
Altbundespräsident Horst Köhler erinnerte daran, dass sich die europäische und die afrikanische Union "wechselseitig" bräuchten. "Das Verhältnis zwischen ihnen muss auf Vertrauen und gegenseitiger Rechenschaftspflicht basieren", sagte er. Nur dann habe Afrika eine Chance, wirtschaftlich zu den reichen Ländern aufzuschließen.
Am Donnerstag hatten die Staats- und Regierungschefs der 55 afrikanischen und 28 europäischen Länder in Abidjan eine Abschlusserklärung unterzeichnet. Darin verpflichteten sie sich zu Investitionen in Bildung und Technologie, der Stärkung von Frieden und Sicherheit sowie weiterer Kooperation beim Thema Migration.