Kirche begeht den Gedenktag des Heiligen Anno

Erzbischof floh vor seinen Schäfchen

Der Erzbischof, dessen Gedenktag an diesem Dienstag gefeiert wird, war alles andere als beliebt bei seinen Schäfchen. Er musste sogar vor ihnen fliehen, erklärt der Heiligenforscher Manfred Becker-Huberti.

Heiliger Georg und heiliger Anno II.  / © Harald Oppitz (KNA)
Heiliger Georg und heiliger Anno II. / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Anno II. von Köln hat vor langer Zeit gelebt, nämlich zwischen 1010 und 1075. Er war Erzbischof von Köln. Das war in diesen Tagen ein herausragender Posten, nicht nur in kirchlichen Kreisen, oder?

Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz (KNA)
Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz ( KNA )

Prof. Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsforscher): Er war gleichzeitig Reichsfürst. Die meisten seiner Zeit waren erst einmal Reichsfürst und dann vielleicht auch noch Bischof. Er ist beides gewesen und hat beide Interessen vertreten – in ziemlich starker Form. Und das hat dazu geführt, dass er nicht nur gewaltigen Einfluss hatte, sondern, dass er sich auch bei der Bevölkerung unbeliebt gemacht hat. Das hat lange nachgewirkt.  

DOMRADIO.DE: Er kam aus einer Familie niederen Adels. Damit war eine Karriere doch kaum möglich?  

Becker-Huberti: Er war ein - wie wir heute sagen würden - einfacher "von" und vielleicht nicht einmal "zu". Die Familie hatte nichts an den Füßen und sie hatten auch keine Hausmacht. Anno hat durch seine persönlichen Qualitäten und alles das, was er konnte, Karriere gemacht. 

DOMRADIO.DE: Anno hat sich nicht gerade als besonders beliebter Regent in Köln entwickelt. Man hat dann versucht, ihn wieder loszuwerden, oder?

Becker-Huberti: Er war wirklich das, was man machtbesessen nennt. Er war gleichzeitig in der Reichspolitik tätig und das auf eine Art und Weise, die nicht unbedingt von allen als angenehm empfunden wurde. Er war jemand, der versucht hat, sich auf allen Gebieten durchzusetzen und das hat er auch gemacht. Daher waren die Kölner von seinem Stil nicht so begeistert.

DOMRADIO.DE: Wie hat er sich denn durchgesetzt?

Becker-Huberti: Nach dem frühen Tod des damaligen Kaisers führte dessen Witwe für ihren fünfjährigen Sohn Heinrich IV. die Regierung; sie war dieser Aufgabe aber nicht gewachsen. Fürsten wollte sie entfernen – Anno führte diese Bewegung an. Er brachte durch einen Überfall die Reichsinsignien in seine Gewalt und übernahm selbst die Herrschaft über das Reich. Er hat die Macht an sich gerissen.

Er hat den Kaisersohn gekidnappt und in seinen Besitz gebracht und auf diese Art und Weise eine Machtfülle gewonnen, die dann den anderen Reichsfürsten schon wieder sehr gefährlich wurde. Also er polarisierte die Menschen so wie das heute der eine oder andere Politiker auch tut. 

DOMRADIO.DE: Und er hat so polarisiert, dass er sich im Dom verstecken musste, weil man ihn umbringen wollte. 

Becker-Huberti: Die Situation war diese: Anno hatte den Bischof von Münster zu Gast gehabt. Er hat im Hafen ein holländisches Schiff beschlagnahmen lassen, damit sein Gast gemütlich nach Hause gondeln konnte. Das brachte bei den Kölnern das Fass zum Überlaufen. Sie drohten mit Prügel.

DOMRADIO.DE: Ein Aufstand der Bürger in Köln?

Becker-Huberti: Anno zog sich mit dem Bischof von Münster in den Dom zurück. Die Leute erwischten einen Kleriker, den sie für Anno hielten und schlugen ihn tot. Anno merkte, dass er keine Chance hatte, lebend durch die Stadt raus zu kommen. Also zog er sich des Nachts durch einen kleinen Durchlass in der Stadtmauer, den man deshalb später "Anno-Loch" nannte, in eine andere Stadt zurück.

DOMRADIO.DE: Das ließ Anno aber bestimmt nicht auf sich sitzen?

Becker-Huberti: Ein paar Tage später ist er mit einer Horde von Rittern in Köln eingefallen und hat alles kurz und klein geschlagen. Das hat auch dazu geführt, dass er irgendwann wohl selber verstanden hat, dass er sich da völlig daneben benommen hat. Er hat sich dafür entschuldigt und hat versucht, das wieder gut zu machen. Auf der anderen Seite gleicht das nicht alles aus, was er so an harten Maßnahmen im Laufe seines Lebens vollbracht hat.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR