Laut einer neuen Untersuchung des Hilfswerks Care ist die Nahrungsknappheit in Nordkorea die Krise, die 2017 weltweit am wenigsten Beachtung fand. Zu den anderen Krisen, die selten Schlagzeilen machten, zählt Care die Vertreibungen um den Tschadsee, Flucht und Hunger in Mali, die Situation in Burundi, Eritrea und in der Demokratischen Republik Kongo sowie die Fluten in Peru. Am Dienstag legte die in Bonn ansässige Organisation in Berlin ihren Bericht "Suffering In Silence" vor über zehn humanitäre Krisen, die 2017 keine oder kaum Schlagzeilen machten.
"Weit weg von den Kameras und Mikrofonen dieser Welt", so Care-Generalsekretär Zentel
"Wir alle wissen, dass ein einziges Foto die weltweite Aufmerksamkeit auf eine Krise ziehen kann", erklärte Care-Generalsekretär Karl-Otto Zentel: "Aber die Menschen, die in unserem Bericht erwähnt werden, sind weit weg von den Kameras und Mikrofonen dieser Welt. Krisen wie die in Mali oder rund um den Tschadsee mögen die Medien nicht in die Schlagzeilen bringen, aber das bedeutet nicht, dass wir sie vergessen dürfen."
Es bestehe auch eine direkte Verbindung zwischen der medialen Aufmerksamkeit und den finanziellen Mitteln, die für humanitäre Hilfe bereitgestellt würden, ergänzte Peter Felten, Leiter des Referats für Multilaterale Gestaltung der Humanitären Hilfe im Auswärtigen Amt: "Wir wissen, dass die Bereitschaft, Menschen in Not helfen zu wollen, groß ist. Für vergessene Krisen aber gibt es kaum Spendengelder, weil diese Krisen kaum wahrgenommen werden. Das müssen wir ändern." Für die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amts seien vergessene Krisen bereits ein Schwerpunkt.
Blick in die Zukunft
Auch im kommenden Jahr werden nach Ansicht von Care viele dieser Katastrophen weiterhin Menschenleben bedrohen. Die Aufmerksamkeit der Medien könne helfen, die öffentliche Unterstützung für Menschen in Krisensituationen zu erhöhen.
Das Hilfswerk empfiehlt in seinem Bericht daher unter anderem, mit lokalen freien Journalisten und Nichtregierungsorganisationen zusammenzuarbeiten. Zudem sollten Medienhäuser "in internationale Korrespondenten und Rechercheprojekte auch in entlegenen Erdteilen investieren, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden".
Forderungen von Care
Politische Entscheidungsträger müssten sich zudem "vehement dafür einsetzen, dass der Zugang von unabhängigen Journalisten zu den Krisenregionen der Welt gewährleistet ist", fordert Care weiter: "Akteure, die Berichterstattung blockieren oder Journalisten angreifen, müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden."
1. Hunger und Unterdrückung in Nordkorea (51): Nach UN-Schätzungen leiden 18 Millionen Menschen, 70 Prozent, unter Ernährungsunsicherheit und sind auf Nahrungsmittelhilfe der Regierung angewiesen. Ein Fünftel der Koreaner ist unterernährt. Besonders betroffen sind Frauen und Kinder.
2. Dürre und Unterdrückung in Eritrea (69): 700.000 Menschen leiden laut Bericht unter Dürre, fehlender Nahrung und Wasserknappheit. Die Hälfte aller Kinder in Eritrea ist aufgrund des Nahrungsmangels mental und physisch beeinträchtigt.
3. Verfolgung und Gewalt in Burundi (282): Mehr als 400.000 Menschen sind vor Gewalt und katastrophalen humanitären Bedingungen geflohen, die Hälfte davon sind Kinder. Etwa 200.000 Menschen sind Vertriebene im Landesinneren von Burundi und leiden unter fehlender Gesundheitsvorsorge und Wassermangel.
4. Krieg und Hunger im Sudan (824): Mehr als zwei Millionen Kinder sind akut unterernährt. Das Land leidet an Überschwemmungen und Dürren. Zudem sind rund 460.000 Flüchtlinge aus dem Südsudan hier untergekommen.
5. Gewalt und Hungerkrise in der Demokratischen Republik Kongo (1.667): 1,7 Millionen Menschen sind durch den Anstieg der Gewalt aus dem Land geflohen. Mehr als vier Millionen Kongolesen sind vertrieben, 620.000 von ihnen suchen laut der Studie Schutz in benachbarten Staaten. Fast zwei Millionen Kinder leiden an starker Mangelernährung.
6. Unterernährung in Mali (3.491): Rund 52.000 Malier sind binnenvertrieben und mehr als 140.000 Menschen sind in benachbarte Staaten geflüchtet. 165.000 Kinder leiden unter akuter Mangelernährung und 115.000 schwangere oder stillende Frauen benötigen Nahrungsmittelhilfe.
7. Naturkatastrophen in Vietnam (4.255): Ein Taifun im September tötete 14 Menschen, 112 wurden verletzt. Durch starke Regenfälle hatten rund 1,5 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom, Häuser, Schulen, öffentliche Gebäude sowie Meeres- und Flussufer wurden beschädigt. Durch die extremen Niederschläge wurden 11.000 Hektar Reis und weitere Getreidefelder zerstört.
8. Konflikt und Hunger in der Tschadsee-Region (5.583): Rund 2,4 Millionen Menschen wurden in den vergangenen zwei Jahren vertrieben. Sieben Millionen Menschen und fast eine halbe Million Kinder sind laut Bericht unterernährt.
9. Zentralafrikanische Republik (6.575): 2,5 Millionen Menschen brauchen danach dringend Hilfe und Nahrungsmittel. Zahl der militanten Angriffe auf Frauen und Kinder ist besonders stark angestiegen. Bis September 2017 wurden 1,1 Millionen Menschen vertrieben.
10. Unwetter in Peru (7.017): Überschwemmungen betrafen mehr als 1,7 Millionen Menschen. Durch Hochwasser und ausgelöste Erdrutsche wurden mehr als 150 Menschen getötet. Der finanzielle Schaden wird auf fast 2,5 Milliarden Euro beziffert.