Es gibt weit mehr als 3.000 Moscheen in Istanbul – und weniger als 200 christliche Kirchen. Trotzdem ist die Stadt für Christen kein Ort religiöser Unterdrückung, sondern bietet eine große Chance. Die Metropole am Bosporus vereint nicht nur zwei Kontinente, sondern auch fast ein Dutzend christliche Konfessionen. Für Christen ist die Situation in der Türkei besonders, sagt Bischof Ruben Tierrablanca Gonzalez, der Apostolische Vikar von Istanbul. Sie unterscheide sich durch ihre Vielfalt von der deutschen, sagt er.
"Das ist für uns ein Glück, weil wir dadurch so viele verschiedene Traditionen haben. Außerdem steht hier keiner vor dem Gesetz über dem anderen – wir werden nicht unterschiedlich behandelt. Denn die Türkei ist ein muslimisches Land. Und die Politik wird hier unabhängig von den Interessen der Christen organisiert", sagt der Mexikaner.
Alle sollen eins sein
Auch wenn einige Konfessionen historisch bedingt durch den Vertrag von Lousanne zumindest rechtlich einen Minderheitenstatus innehaben und andere Konfessionen nicht: In der Praxis ist es so, als existiere die Kirche für den türkischen Staat nicht, erzählt Bischof Ruben. Und dafür seien viele Christen dankbar: Denn sie werden in Ruhe gelassen und können sich auf ihren Glauben konzentrieren – gemeinsam.
Die Wege sind kurz und man steht in gutem Kontakt, ungeachtet der konfessionellen Unterschiede. Am Ende sind wir alle Christen – sagt Bischof Ruben – und das verbindet. "Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast", heißt es bei Johannes, 17,21. Es sei die Berufung der Kirche eins zu werden in Christus, kommentiert Bischof Ruben.
Was ist schon Einheit?
Was aber bedeutet das: Einheit? Die Griechen zum Beispiel folgen der byzantinischen Tradition. Die Katholiken der Römischen – und überhaupt hat jede Konfession ihre eigenen Merkmale und Gewohnheiten.
"Wenn die Orthodoxen zum Beispiel Das Laudato Si singen, dann singen sie: und das dauert, es ist sehr lang. Aber sie sagen damit nur eins, nämlich: Laudato Si. Wir sind damit in zehn Sekunden fertig, die anderen in zehn Minuten. Wir haben es da ein bisschen eiliger", lacht der Kirchenmann. Es könne gar keine Einheitskirche geben; aber das heiße nicht, dass man nicht vereint sein könne.
Es gibt eine Gemeinsamkeit
"Ob byzantinisch, römisch, assyrisch, syrisch, koptisch oder armenisch – alle sind vereint in der Eucharistie, und die unterscheidet sich in zwei Teile: Das Wort und das Opfer Christi. Ungeachtet aller Unterschiede, ist das Zentrum also gleich, nämlich die Präsenz Christi in der Eucharistie", erklärt Bischof Ruben.
Im Dialog und im Miteinander gehe es darum, die unterschiedlichen Traditionen zu respektieren. Denn diese hätten sich ja über Jahrhunderte etabliert und gefestigt und stammen aus einer Zeit, in der Konfessionen noch getrennt waren und es keinen Austausch gab. "Diese Vielfalt ist ein Reichtum, auf den die vereinte Kirche nicht verzichten muss", meint Bischof Ruben.
Den Weg zu Ende gehen
Mit Blick auf die lange Zeit der Trennung, sei man jetzt schon weite Schritte in Richtung Einheit zurückgelegt, zieht er Bilanz. Urpsrung genommen habe der Weg zur Einheit in der protestantischen Kirche: "Bis 1950 gab es viele Katholiken, die gesagt haben, dass es gefährlich sei, vereint zu sein. Aber warum?"
Eine Besorgnis, von der heute fast nichts mehr zu sehen ist; vor allem nicht in Istanbul, wo für die Gebetswoche ein griechisch orthodoxer Priester mit einem einen armenisch-orthodoxen Geistlichen, einem katholischen Bischof, einer anglikanischen Pastorin und einem protestantischen Bischof einen Gottesdienst feiert. Für Bischof Ruben ist genau das ein gelebetes Zeugnis dafür, dass die Kirche gemeinsam auf dem Weg sei und die Einheit suche.