Nikodemus Schnabel sieht vielmehr in den Religionen ein "Gegenüber der Politik". Mit Blick auf die besondere Bedeutung Jerusalems für Judentum, Islam und Christentum fügte er im Interview der Deutschen Welle hinzu: "Wir Religionen müssen schauen, dass wir uns nicht vereinnahmen lassen."
Weder Talmud noch Koran oder Bibel enthielten Ansagen für die konkrete Politik, so Schnabel weiter. "Das sind ja keine schlichten Gebrauchsanweisungen. Wenn man sie wortwörtlich nimmt, ist das eine Vergewaltigung der Heiligen Schrift."
Allerdings verfügten alle Heiligen Schriften über ein sehr kritisches Potential, "das den Mächtigen den Spiegel vorhält, die Frage nach Gerechtigkeit, Frieden, Versöhnung stellt und die ausgestoßenen Schwachen ermutigt".
Gemeinschaft wählt neuen Leiter
Schnabel wurde nach dem überraschenden Rücktritt des Iren Gregory Collins 2016 übergangsweise zum Leiter der deutschsprachigen Benediktinergemeinschaft ernannt. Die Mönchsgemeinschaft tritt von Sonntag bis Freitag (23. Februar) zur Wahl eines regulären Nachfolgers für Collins zusammen.
Die Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Dormitio, die an den Tod Marias erinnert und dem Deutschen Verein vom Heiligen Land gehört, wurde bei ihrer Einweihung 1906 dem Benediktinerorden anvertraut. Von 1948 bis 1967 stand sie im Niemandsland zwischen Israel und Jordanien und war über Jahre verlassen. Zu der Gemeinschaft gehören nach Abteiangaben derzeit insgesamt 22 Brüder.
Umstrittene Trump-Aussage
Zu der umstrittenen Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch US-Präsident Donald Trump sagte Schnabel: "Auch da muss man sehr gut trennen zwischen Religion und Politik. Letztlich hat hier ein Politiker mit religiösen Argumentationsketten argumentiert. Das hat aber - und das ist hochinteressant - sehr viele religiöse Vertreter der monotheistischen Religionen herausgefordert, noch mal zu sagen: Nein, so geht Politik nicht. Man kann nicht einfach sagen: Bumm, so steht es in der Bibel, so machen wir das."
Für Jerusalem gebe es keine einfachen Antworten, so der Benediktiner weiter. "Der Heilige Stuhl, also die katholische Kirche, hält seit Jahrzehnten an einer, wie ich finde, visionären Lösung fest. Ich bin großer Anhänger dieses Ansatzes, der sagt: Jerusalem ist zu bedeutend, als das man die Frage dieser Stadt kleinkariert nationalistisch verengt." Schnabel weiter: "Die Altstadt ist wirklich ein 'corpus separatum', ein getrennter Bereich, der internationalisiert werden sollte und eben niemandem allein nationalistisch verengt gehört."