Evangelischer Pressedienst (epd): Bei einer Reise in den Libanon haben Sie sich im vergangenen Herbst über Hilfsprojekte Ihrer Landeskirche in Syrien informiert und auch die syrische Stadt Homs besucht. Was geht ihnen durch den Kopf, wenn Sie die Berichte über die immer verzweifeltere Lage der Menschen in Syrien lesen?
Bischof Ralf Meister (Evangelischer Landesbischof von Hannover): Ich denke in diesen Stunden an die Menschen in der kurdischen Region von Afrin und innerhalb und außerhalb von Damaskus, die Opfer dieses grauenhaften Krieges geworden sind.
Die Bilder der leidenden Menschen machen sprachlos. Mein Zorn über grausame Diktatoren, über gewissenlose Söldner und Kriegsverbrecher macht mich sprachlos. Gezielte Angriffe auf Krankenhäuser zeigen die tiefe Menschenverachtung der Kriegstreiber.
epd: Angesichts der Dramatik, wie sie jetzt aus der Region Ost-Ghuta geschildert wird, kann man da nur hilflos zusehen?
Meister: Hier ist die UN gefordert, Einfluss auf alle beteiligten Parteien zu nehmen, um in dieser politisch brisanten Situation ein sofortiges Ende der Gewalt zu erreichen. Und wenn es im UN-Sicherheitsrat nicht möglich ist, dann muss hier die UN-Vollversammlung den diplomatischen Druck weiter erhöhen. Ich glaube fest daran, dass es in dieser Situation keine militärische Lösung geben kann. Frieden kann nur durch Dialog und einen politischen Diskurs zur Zukunft Syriens sichergestellt werden.
Die Situation im mittleren Osten zeigt leider bisher ein Scheitern diplomatischer Bemühungen an den strategischen und machtpolitischen Interessen zahlreicher Nationen und Interessengruppen. Ich bete dafür, dass die Friedensverhandlungen in Genf schon bald Perspektiven für einen Weg eröffnen, auf den sich alle Seiten einlassen können.
epd: Muss die Politik in Deutschland reagieren, etwa indem sie ihre Haltung zum Familiennachzug bei Syrern noch einmal korrigiert?
Meister: Das Leiden der hilflosen Zivilisten ist unerträglich. Können Aufnahmeoptionen für ein Resettlement-Programm für einige Tausend Überlebende dieser Hölle ein kleines Zeichen aktiver Hilfe sein? Ich glaube ja. Die Hoffnungslosigkeit braucht konkrete Handlungsschritte und Optionen der Hoffnung, seien sie auch noch so klein. Ein Resettlement-Programm für betroffene Familien wäre eine Möglichkeit.