Sollte es zur großen Koalition kommen, könnte die evangelische Pfarrerstochter Angela Merkel deutlich mehr Katholiken um sich am Kabinettstisch versammeln als in der letzten Legislaturperiode. Zumindest gilt das für die künftigen Ministerinnen und Minister der Union. Auch das gehört zu den Überraschungen bei den jüngsten Nominierungen.
Zwei protestantische Fahnen
In der letzten Regierung gab es zwar mit Andrea Nahles, Barbara Hendricks und Heiko Maas drei katholische SPD-Minister. In der CDU-Riege aber war Peter Altmaier der einzige Katholik neben sechs Protestanten – wenn man die Kanzlerin mitzählt. Neben Merkel waren das Johanna Wanka, Ursula von der Leyen, Hermann Gröhe, Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière.
Künftig könnten Merkel und von der Leyen alleine die evangelische Fahne hochhalten, umringt von fünf Katholiken: Zu Altmaier könnten sich Julia Klöckner, Anja Karliczek, Helge Braun und Jens Spahn gesellen. Unter den CSU-Ministern gab es bisher mit Christian Schmidt einen Protestanten neben den Katholiken Gerd Müller und Alexander Dobrindt.
Momentan werden ausschließlich Katholiken gehandelt für die drei Posten: Müller sowie Dorothee Bär, Andreas Scheuer und Horst Seehofer. Bei den drei Unions-Staatsministern und -Staatssekretären im Kanzleramt könnte das Verhältnis konstant bleiben: Derzeit sind die CDU-Staatsminister Monika Grütters und Helge Braun katholisch, CSU-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche evangelisch.
Grütters soll wohl Kulturstaatsministerin bleiben, dazu könnten Katholikin Annette Widmann-Mauz als Staatsministerin für Integration kommen und Protestant Hendrik Hoppenstedt. Darüber hinaus soll Katholikin Annegret Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin auf den Protestanten Peter Tauber folgen.
Klare religiöse Bekenntnisse
Doch Taufschein und Gesangbuch sind nur eine Seite. Entscheidender sind andere Fragen: Welche Rolle spielt die Zugehörigkeit zu einer Konfession überhaupt? Und wie beeinflusst der persönliche Glaube das politische Handeln? Dass ihnen Glaube wichtig sei, betonen so gut wie alle. Einige auf der Unionsseite wie Grütters, Klöckner, Kramp-Karrenbauer und Müller gehören dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) an.
Erst am Wochenende erklärte Kramp-Karrenbauer, wie entscheidend es sei, "dass wir noch einmal deutlich machen, was unsere Grundlage ist, nämlich das christliche Menschenbild". Ebenfalls am Wochenende warnte Grütters vor einer Entchristlichung der Gesellschaft; sie sollte sich zu ihren christlichen Wurzeln und ihrer Identität bekennen. Und Klöckner bekannte, bei elementaren Entscheidungen - etwa "bei ethischen Fragestellungen, bei der Frage des ungeborenen Lebens" - entlaste sie ihr Glaube.
Auch Ex-Ministrant Altmaier erzählte kürzlich in einem "Bunte"-Interview, wie wichtig ihm Religion sei, "weil christliche Werte für mich ein starkes Fundament sind". Für Jens Spahn sind Glaube und Kirche "aus mir und meinem Leben nicht wegzudenken". Der "Tagespost" sagte er außerdem, er habe seine christliche Prägung "mit der Muttermilch" aufgesogen.
Auf der anderen Seite ist Spahn, der in einer homosexuellen Beziehung lebt und kürzlich geheiratet hat, klar für die "Ehe für alle" – anders als Karliczek, Kramp-Karrenbauer und andere. Klöckner warf kürzlich den Kirchen vor, sich zu sehr in die Politik einzumischen. Gerade in der Flüchtlingspolitik liegen sie und Spahn, um nur zwei Beispiele zu nennen, keineswegs auf einer Wellenlänge mit den Kardinälen Marx und Woelki und der Mehrheit der Bischöfe.
Alter und Geschlecht vor Religion?
Eindeutiger ist - soweit bekannt - die Positionierung der künftigen Kabinetts-Katholiken in anderen Debatten: So sind sie durch die (Regierungs-)Bank gegen eine Liberalisierung der Suizidbeihilfe und gegen Änderungen beim Werbeverbot für Abtreibungen.
Wie sie sich künftig verhalten und wie sehr katholisch mit konservativ einhergehen wird, ist ebenso wenig abzusehen wie die Frage, ob die GroKo überhaupt zustande kommt. Und die Neujustierung der Konfessionen am Kabinettstisch lässt sich natürlich auch anders deuten: Vielleicht spielt die Frage nach evangelisch oder katholisch heute einfach keine große Rolle mehr bei politischen Personalentscheidungen – jedenfalls im Vergleich zu Alter und Geschlecht.
Gottfried Bohl