Glaubenskongregation richtet sich an Bischöfe der Weltkirche

"Es hat Gott gefallen"

"Placuit Deo" heißt das jüngste Schreiben des Vatikan. Die Glaubenskongregation will damit einige Aspekte des christlichen Heils an die Bischöfe der Weltkirche richten. Doch was genau steht in dem Schreiben und welchen Anlass gibt es dafür?

Bischöfe im Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Bischöfe im Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: "Placuit Deo" heißt das sechsseitige Schreiben, das die Glaubenskongregation im Vatikan heute veröffentlichte – was heißt "Placuit Deo" übersetzt?

Jan Hendrik Stens (Theologie-Redaktion): Wörtlich übersetzt heißt das "Es hat Gott gefallen". Jedes Schreiben aus dem Vatikan ist nach seinen Anfangsworten benannt. Und hier ist es eine Anlehnung an ein Zitat aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser: "Es hat Gott in seiner Güte und Weisheit gefallen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens bekannt zu machen."

DOMRADIO.DE: Es geht in dem Schreiben um Aspekte des christlichen Heils. Gibt es dazu einen aktuellen Anlass?

Stens: Nicht tagesaktuell, aber es gibt in unserer Gesellschaft Entwicklungen, auf die in diesem Schreiben eingegangen wird. Es heißt gleich zu Anfang, dass "die Welt von heute" mit dem christlichen Glaubensbekenntnis ihre Schwierigkeiten habe. In diesem Glaubensbekenntnis wird Jesus als einziger Erlöser des ganzen Menschen und der ganzen Menschheit verkündet. Konkret werden Tendenzen genannt, auf die Papst Franziskus immer wieder hinweise und die in einigen Punkten mit zwei alten Häresien – also Irrlehren – Ähnlichkeiten haben. Konkret ist die Rede vom Pelagianismus und dem Gnostizismus.

DOMRADIO.DE: Was genau beinhalten denn diese Irrlehren?

Stens: Der Pelagianismus geht auf den Theologen Pelagius zurück, der an der Wende vom vierten zum fünften Jahrhundert gelebt hat. Demnach braucht der Mensch die Gnade Gottes nur als eine Art Hilfestellung und kann sonst aus eigener Kraft Gutes tun und das ewige Leben erlangen. Dem steht die kirchliche Lehre von der Erbsünde gegenüber. Und die Realität zeigt uns, dass es den komplett sündenfreien Menschen einfach nicht zu geben scheint.

Beim Gnostizismus handelt es sich um eine Bewegung der ersten beiden Jahrhunderte. Demnach besteht das wahre Wesen des Menschen in einem Funken des göttlichen Geistes. Dieser Geist muss vom Leib befreit werden, damit der Mensch zu seinem Ursprung in Gott zurückkehren kann. Man kann also von einer leibfeindlichen Bewegung sprechen.

DOMRADIO.DE: Und wo begegnen uns diese Irrlehren heute?

Stens: Durch den Neu-Pelagianismus wird die Rechtfertigung durch Gottes Gnade in Frage gestellt. Der Mensch kann durch Selbstverwirklichung und aus eigener Kraft zum Heil gelangen, ob nun durch materiellen Reichtum oder durch Erfolg in Beruf und Privatleben. Er bedarf daher in gar keiner Weise der Erlösung durch Gott, der Mensch geworden ist und uns durch seinen Kreuzestod erlöst hat. Und er benötigt auch nicht die Kirche als den Ort, wo uns das von Christus gebrachte Heil geschenkt wird. Das ist gerade in unseren wohlhabenden Ländern sehr aktuell, wo die Reichtümer immer größer, die Kirchen aber immer leerer werden.

DOMRADIO.DE: Jetzt bleibt aber noch die Tendenz zum Gnostizismus. Wird nicht der Kirche immer wieder eine gewisse Leibfeindlichkeit vorgeworfen?

Stens: Diesen Vorwurf weist sie ja von sich, weil es ihr um die Heiligung des Leibes geht. Der menschliche Leib sei von Gott geformt, heißt es in dem Schreiben. Und Gott habe in der Gestalt von Jesus Christus auch diesen Leib angenommen durch seine Menschwerdung. Am Neu-Gnostizismus wird konkret eine Fleisch- oder Leiblosigkeit kritisiert. Diese führe dazu, dass der Mensch keinen Respekt mehr vor der Schöpfung hat, dass nur das Individuum und dessen subjektive Bemächtigung der Wirklichkeit gilt. Denken wir hier an Franziskus‘ immer wieder geäußerte Gender-Kritik: Gender als rein subjektivistische Umwertung der Wirklichkeit. Wenn ich fleischlos bin, dann liegt es an mir zu entscheiden, ob ich zum Beispiel männlich oder weiblich bin.

DOMRADIO.DE: Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wer das Schreiben "Placuit Deo" verfasst hat und ob dies über den Schreibtisch des Papstes gegangen ist.

Stens: Wir können davon ausgehen, dass Erzbischof Luis Ladaria, der ja als Nachfolger von Kardinal Müller zum Präfekten der Glaubenskongregation berufen worden ist, durchaus im engen Kontakt mit Papst Franziskus steht und als Jesuit auch die theologischen Leitlinien dieses Pontifikats gut kennt. Außerdem heißt es am Ende des Schreibens, es sei von Papst Franziskus beschlossen, gutgeheißen und seine Veröffentlichung angeordnet worden.

DOMRADIO.DE: Was heißt denn der Inhalt von "Placuit Deo" konkret für uns Christen?

Stens: Ich denke, wir sollten öfter wieder den Wortlaut des Glaubensbekenntnisses – gerne auch den des großen Bekenntnisses von Nicäa und Konstantinopel – verinnerlichen, wo es heißt, dass Jesus Christus "für uns Menschen und zu unserem Heil" vom Himmel gekommen ist, Fleisch angenommen hat und für uns gekreuzigt worden ist. Denn was wir an Weihnachten und Ostern feiern, ist mehr als die Lebensgeschichte einer Person, die von uns ganz gerne zum "lieben Jesulein", zum "liberalen Rabbi" oder "Gutmenschen" degradiert wird, der uns lediglich als ein Vorbild dient. So gesehen ist der Neu-Arianismus, wo Jesus also nur eine menschliche Natur hat, eine weitere Tendenz, die dem christlichen Glauben widerspricht.

Das Interview führte Aurelia Rütters.


Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige (DR)
Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige ( DR )

Luis Francisco Ladaria Ferrer / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Luis Francisco Ladaria Ferrer / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR