DOMRADIO.DE: Sie sind Laie und haben gemeinsam mit einem weiteren Laien und einem Pfarrer die Leitung der Pfarreiengemeinschaft "Pastoraler Raum Neukölln-Süd" im Rahmen des Prozesses "Wo Glauben Raum gewinnt" übernommen. Wie funktioniert das denn in Ihrem Dreier-Leitungs-Team?
Wolfgang Klose (Katholischer Laie im Erzbistum Berlin): Das ist ganz spannend, weil wir drei zusätzlich zu unseren anderen Tätigkeiten in den drei Jahren der Entwicklungsphase die Aufgabe haben, eine neue Pfarrei zu gründen. Wir beiden Laien machen das ehrenamtlich, der Pfarrer hat seine Pfarrei. Wir überlegen gemeinsam, wie wir in welchen Schritten voran gehen wollen, welche Ideen wir dazu haben und wie wir das mit unseren Gemeinden in Orten kirchlichen Lebens gemeinsam umsetzen können.
DOMRADIO.DE: Wenn Sie von drei Gemeinden sprechen, dann heißt das, dass sie von den drei Kirchenvorständen auch offiziell ernannt wurden?
Klose: Richtig. Man muss dazu sagen, dass dies ein bisschen aus der Not heraus geboren ist, weil keiner der Pfarrer, die wir hatten, das alleine machen wollte. Dann haben wir gesagt, jetzt liegt es in der Verantwortung auch von uns Laien. Die Kirchenvorstände und Pfarrgemeinderäte haben uns drei benannt und gewählt. Wir sind von unserem Erzbischof auch für diese Aufgabe ermächtigt worden.
DOMRADIO.DE: Welche Aufgaben haben Sie konkret?
Klose: Es ist bei uns in erster Linie kein Strukturprozess, sondern ein pastoraler Prozess. Wir wollen uns damit auseinandersetzen, wie Kirche zukünftig konkret in Berlin Neukölln-Süd gestaltet werden kann. Wie können wir in die Gesellschaft hineinwirken? Wie können wir mit den Menschen in Kontakt kommen?
Das versuchen wir im Leitungsteam mit den entsprechenden Gremien, mit den ganzen Orten kirchlichen Lebens, die wir haben, vorzubereiten. Da gemeinsam zu überlegen, wie Kirche aussehen kann und der Fragestellung zu begegnen, was die Gesellschaft von der Kirche erwartet, welche Voraussetzungen sie sieht oder welche Leistung sie vielleicht auch erwartet, sind die ausschlaggebenden Punkte.
DOMRADIO.DE: Welche Maßnahmen haben Sie denn diesbezüglich schon unternommen?
Klose: Das machen wir, indem wir ganz viel miteinander reden, zusammensitzen und gemeinsam darüber nachdenken. Wir haben damit angefangen, dass wir uns zuerst unseren Raum angeschaut haben. Wir sind im ersten Jahr der Entwicklungsphase in jede Pfarrei gegangen und haben den Raum im wahrsten Sinne des Wortes "erlebt". Wir haben geschaut, wo Kirche heute präsent ist, wie dort die Gesellschaft aussieht, welche Struktur wir dort vorfinden, wie der Sozialraum aussieht und welches Umfeld wir haben.
Wir schauen erst einmal in einer Phase der Wahrnehmung. Dann wollen wir im nächsten Schritt, der im Sommer beginnt, sagen, was wir alles gesehen haben und feststellen, was das für uns bedeutet. Zunächst geht es also ums Schauen, Zuhören und gemeinsame Überlegen. Wir treffen uns einmal im Vierteljahr mit dem Pastoralausschuss, das sind rund 35 Personen aus den Pfarreien und den ganzen Orten und überlegen gemeinsam die nächsten Schritte. Wir als Leitungsteam treffen uns einmal in der Woche und überlegen, was als nächstes ansteht und was wir konkret machen müssen.
DOMRADIO.DE: Es geht aber nicht nur um personelle Umgestaltung. Sie haben Ihre Fünf-Jahres-Bilanz nicht in einer Kirche, sondern in einem Hochhaus abgehalten. Warum?
Klose: Weil das schon einmal deutlich macht, dass wir als Kirche raus müssen. Man hätte es im Pfarrheim oder in der Kirche veranstalten können, aber da wird man nicht genug wahrgenommen. Man muss doch rausgehen und den Raum sehen, in den man hineingehen will. Wir waren im 26. Stock. Das ist doch das, wo wir als Kirche zukünftig sein müssen. Wir müssen in der Welt sein, wenn wir Kirche in der Welt sein wollen.
DOMRADIO.DE: Sie haben selber geschrieben, dass Ganze war und ist ein Experiment. Wie fällt Ihre Bilanz "fünf Jahre danach" denn aus?
Klose: Das muss man differenzieren. Wir sind in der Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, seit einem Vierteljahr im pastoralen Raum dabei. Ich habe aber den Prozess schon von Anfang an mitbegleitet. Damals noch mit Erzbischof Woelki. Ich war damals als Vorsitzender im Diözesanrat tätig.
Wir haben von Anfang an gesagt, dies sei ein richtiger Prozess, den wir brauchen, um die Kirche zu verändern. Meine Bilanz sieht so aus, dass wir viele Schwierigkeiten und Widerstände haben. Am Anfang waren sie größer, mit der Zeit werden sie kleiner. Aber die Leute fangen auch an, einen Bewusstseinswandel bei sich selber festzustellen. Sie wollen wirklich im Blick haben, was sie wollen und wie Kirche zukünftig aussehen soll.
Das ist meiner Ansicht nach der spannende Punkt dabei, dass man keinen Strukturprozess hat und sagt, man legt etwas zusammen und macht eine Großpfarrei oder eine Pfarreiengemeinschaft, sondern dass wir sagen, wie Kirche heute ist und wie sie in Zukunft sein sollte. Das entwickelt sich entsprechend über mehrere Jahre in unterschiedlicher Qualität. Es gibt auch kein Muster. Es gibt keinen pastoralen Raum im Erzbistum Berlin, der identisch mit einem anderen ist. Wir haben Stadt, Land und ganz viel Land, wenn man nach Vorpommern schaut. Das ist hochspannend.
DOMRADIO.DE: Wie optimistisch sind Sie, dass Sie ihr Ziel, die Gründung einer neuen Pfarrei, erreichen?
Klose: Relativ groß ist mein Optimismus, dass wir dies erreichen werden, weil wir darauf hinarbeiten und viele versuchen, mitzunehmen. Für mich stellt sich immer die Frage, wie diese Pfarrei zukünftig aussehen wird. Das heißt, welchen Aufgaben wird sie sich annehmen und wie wird sie in die Gesellschaft hineinwirken? Und als Laie stellt sich mir die Frage, wie es in der Partizipation in der Leitung weitergehen wird? Welche Leitungsstrukturen werden wir haben und wie werden wir gemeinsam mit geweihten Hauptamtlichen die Kirche vor Ort, die Pfarrei leiten?
Das Interview führte Martin Mölder.