In einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" mit Blick auf den 200. Geburtstag des revolutionären Vordenkers Karl Marx im kommenden Mai prangert Marx die zerstörerischen Auswirkungen des globalen Kapitalismus an.
Das Wohlstandsgefälle zwischen armen und reichen Ländern sei größer geworden, auf der ganzen Erde habe die relative Armut zugenommen. "Von einer angemessenen Vermögensverteilung in der Gesellschaft ist keine Rede mehr", so der Erzbischof von München.
"Ein verantwortungsloser Finanzkapitalismus"
Die beschleunigten Möglichkeiten der Globalisierung haben dem nationalen Wohlfahrtsstaat nach Marx' Worten seine Grenzen aufgezeigt und die Gewichte im Konflikt zwischen Arbeit und Kapital eindeutig zugunsten des Kapitals verschoben. "Ein verantwortungsloser Finanzkapitalismus hat vor zehn Jahren eine Krise ausgelöst, an deren Folgen wir bis heute tragen – auch weil Gewinne privatisiert, Verluste aber sozialisiert wurden."
Selbst in reichen Industriestaaten schließt sich Marx zufolge die Schere zwischen Arm und Reich nicht mehr. In Deutschland vereinigten die vermögendsten zehn Prozent der Bevölkerung 60 Prozent des Besitzes auf sich. Karl Marx habe solche Tendenzen "treffend analysiert". Sie begünstigten Nationalismus, religiösen Fanatismus und Terrorismus. "Die sozialen, politischen und ökologischen Folgen eines ungeordneten globalen Kapitalismus werden jetzt in Rechnung gestellt." Die Gefahren für die politische und soziale Stabilität hierzulande und weltweit bezeichnete der Kardinal als unübersehbar.
Im Dienste des Menschen
"Wir müssen also über einen solchen Kapitalismus hinausdenken, der nach Karl Marx an seinen inneren Widersprüchen scheitern wird." Statt kommunistischer Ideen gegen einen "primitiven Kapitalismus" empfiehlt Kardinal Marx eine Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft. Sie sei auch im Sinne der christlichen Soziallehre, allerdings in einer globalisierten Welt noch nicht erprobt sei. "Sie weiß um den Nutzen freier Märkte, wenn es darum geht, Menschen mit den notwendigen Gütern und Dienstleistungen zu versorgen. Und zugleich garantiert sie, indem sie einen ordnungspolitischen Rahmen setzt, dass Wirtschaft kein Selbstzweck ist, sondern den Menschen zu dienen hat."
Als die große politische Aufgabe der Gegenwart sieht Marx deshalb, verbindliche globale Spielregeln für eine humane wirtschaftliche Ordnung zu vereinbaren und weltweit Institutionen für deren Umsetzung zu schaffen. Er schließt mit der Frage: "Wo sind die Politiker, die das in ihre Partei- und Regierungsprogramme schreiben?"