Die antisemitische Äußerungen von muslimischen Schülern an einer Berliner Grundschule haben große Besorgnis ausgelöst. Zudem mehrten sich am Dienstag Aufforderungen nach Konsequenzen. "Es gibt eine Zusammenarbeit zwischen jüdischen und muslimischen Verbänden. Konkret, was die Frage des Antisemitismus angeht, gibt es wenig gemeinsame Projekte", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, im ZDF-Morgenmagazin.
Er forderte muslimische Verbände auf, konkret auf die Predigten von Imamen zu achten. Es gebe dort eine Bringschuld seitens der muslimischen Verbände. Schuster verurteilte zudem Antisemitismus gegen Kinder oder Jugendliche. Das habe eine Dimension, die er für "ganz besonders verwerflich" halte.
Imame und Rabbiner sollen für Dialog werben
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, reagierte auf die Forderung Schusters. "Wir stellen zunächst konkret zehn Imame bereit, die vorzugsweise mit Rabbinern in die Klassen gehen und für Dialog, Aufklärung und gegenseitige Achtung aus ihrem religiösen Selbstverständnis werben", sagte er. "Ich würde mich freuen, wenn die jüdischen Gemeinden mitmachen, dann könnten wir schon heute in Berlin beginnen und in Folge dies bundesweit ausbauen."
Der baden-württembergische Landesbeauftragte gegen Antisemitismus, Michael Blume, unterstützt den Vorschlag des Zentralrats der Juden, eine bundesweite Statistik für antisemitische Gewaltvorfälle an Schulen einzurichten. Die Schulen könnten zwar "oft gut damit umgehen", sagte Blume im SWR. Manchmal trete aber auch eine Überforderung ein.
"Ursachen analysieren"
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Thüringens Bildungsminister Helmut Holter, drang auf eine Analyse der antisemitischen Vorfälle an deutschen Schulen. "Die Vorfälle sind erschütternd und wir sind alle aufgefordert, uns damit auseinanderzusetzen. Wir müssen schulische und gesellschaftliche Ursachen analysieren", sagte der Linken-Politiker der "Bild"-Zeitung.
Neben dem Wert der Religionsfreiheit müsse immer wieder klar gemacht werden, dass es insbesondere für Antisemitismus in diesem Land null Toleranz gäbe, "keinen Millimeter". Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), forderte die Gesellschaft auf, sich entschieden gegen antisemitische Äußerungen zu stellen. "Dafür müssen alle genau hingucken und hinhören, die Sensibilität jedes einzelnen von uns ist gefordert, um so etwas zu verhindern", sagte er im "Tagesspiegel".
Vorfall in einer Berlinder Grundschule
Ausgelöst wurde die Debatte durch einen Vorgang an einer Berliner Grundschule, über den die "Berliner Zeitung" berichtet hatte. Demnach griffen dort muslimische Schüler ein jüdisches Mädchen an, "weil sie nicht an Allah glaubt". Zuvor habe ein Schüler auf die Angabe des Mädchens, dass sie Jüdin sei, das Wort "Jude" mehrfach in bedrohlichem Tonfall wiederholt. Das Mädchen sei außerdem sogar schon einmal mit dem Tode bedroht worden.
Lehrerverbandschef Heinz-Peter Meidinger plädierte für eine bessere ethnisch-soziale Mischung der Schülerschaft in sozialen Brennpunkten in Berlin, Frankfurt oder dem Ruhrpott hinkriege. Er betonte zudem in der "Passauer Neuen Presse" (PNP), dass die Übergriffe nicht nur von muslimischen Schülern ausgingen. Der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, schlug in der "Welt" Schulangebote für muslimische Jugendliche vor, "damit sie innerhalb der Schule über ihren Glauben sprechen können und relevante Informationen zu ihrer und anderen Religionen erhalten".
"Es ist oftmals tief sitzender Hass", so Raed Saleh
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, Stephan Mayer (CSU), erklärte in der PNP: "Es ist nicht zu tolerieren, dass dschihadistische oder gewaltbereite Gruppierungen in der Alltags- und Lebenswelt von Schülern, insbesondere im digitalen Raum, werben." Es müsse grundsätzlich verhindert werden, dass es zu einer Zunahme der Identifizierung mit fundamentalen oder gewaltverherrlichenden Überzeugungen komme oder sogar "Jugendsubkulturen" entstehen würden.
Raed Saleh, SPD-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht den Judenhass muslimischer Eltern als wichtigen Grund für Antisemitismus von Schülern. "Es ist oftmals tief sitzender Hass, der vom Elternhaus vermittelt wird. Viele plappern auch in Unkenntnis irgendwelche Parolen nach", sagte er der "Welt".
Wie die Antidiskriminierungsbeauftragte für die Berliner Schulen, Saraya Gomis, dem "Neuen Deutschland" sagte, gab es 2017 an Berliner Schulen zwölf antisemitische Vorfälle. Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, plädierte in der "Bild"-Zeitung zu einer bundesweiten Statistik für Vorfälle dieser Art.