Der Wechsel im Präsidentenamt vollzog sich überraschend - aber glatt inszeniert. Schon Stunden bevor Ex-Präsident U Htin Kyaw (71) vergangene Woche seinen Rücktritt verkündete, gab der 66-jährige U Win Myint seinen Posten als Parlamentssprecher auf.
Damit positionierte er sich mit dem Segen von Staatsrätin und Parteichefin der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) Aung San San Suu Kyi (72) als Präsidentschaftskandidat. Ebenso schnell wurde der NLD-Politiker und Vizeparlamentssprecher U T Khun Myat (67) zu dessen Nachfolger gekürt, vorbei an verdienten NLD-Abgeordneten.
Maulkorb verpasst
Suu Kyi, die aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht selbst Präsidentin werden kann, hält auf dem eigens für sie geschaffenen Posten der Staatsrätin neben der Armeeführung weiterhin die Fäden der Macht in der Hand. Ihren Abgeordneten hatte sie schon zu Beginn der Legislaturperiode des ersten frei gewählten Parlaments seit Jahrzehnten einen Maulkorb verpasst.
Interviews sind verboten und Kritik im Parlament wird durch die strikte Anwendung der Geschäftsordnung vom Parlamentssprecher im Keim erstickt. Da mutet es fast schon aufmüpfig an, dass einige Abgeordnete nach der Wahl U T Khun Myats auf ihren Facebookseiten ihren Unmut ausdrückten.
Der 1950 in Kutkai im Shan Staat geborene U T Khun Myat verfügt über eine schillernde Biografie. In der Vergangenheit war er Anführer einer Miliz, deren Geschäft die Produktion und der Schmuggel von Opium gewesen sein soll. Unter Exilbirmanern brachte ihm das den Spitznamen "Escobar von Birma" ein. Laut Medienberichten war der studierte Jurist und Angehörige des Kachin-Volkes zudem Teilhaber der Myanmar May Flower Bank, die 2005 wegen der Wäsche von Drogengeld dichtmachen musste.
2010 kandidierte U T Khun Myat erfolgreich auf dem Ticket der Militärpartei USDP für einen Parlamentssitz. Mit der Partei war für ihn Schluss, als sein Mentor und Ex-Parlamentssprecher Shwe Man 2015 von Myanmars damaligem Präsidenten Thein Sein aus der Partei geworfen wurde, weil er sich politisch zu sehr mit Aung San Suu Kyi eingelassen hatte. Shwe Man gilt derzeit als "Wild Card" im politischen Machtspiel. Die große Frage ist, ob er bei der Wahl 2020 mit einer eigenen Partei antreten wird.
Der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rangun, Norbert Eschborn, sieht in der Wahl von U T Khun Myat zum Parlamentssprecher "einen Brückenschlag zu anderen Kräften". Der Politiker habe "vielfältige Erfahrungen", spreche gut Englisch, sei offen gegenüber Ausländern und "langfristig denkend". Das sind Eigenschaften, die den meisten der 70, 80 Jahre alten Führungskader der NLD abgehen.
Von dem neuen Präsidenten U Win Myint erwartet Eschborn keine durchgreifende Änderung in der Gestaltung des Amtes. "U Win Myint als klassischer Parteisoldat ist absolut loyal gegenüber Aung San Suu Kyi."
Mangel an Persönlichkeiten
So manche Kommentatoren in Myanmar erhoffen sich von dem ehemaligen Rechtsanwalt jedoch eine aktivere Rolle als die des bisherigen Präsidenten, der das Amt weitgehend zeremoniell führte und keine eigenen politischen Akzente setzte. Die NLD-Regierung steht zunehmend wegen der schleppenden politischen und wirtschaftlichen Reformen in der Kritik. International sorgte die Verfolgung der muslimischen Rohingya-Minderheit für Empörung. Von U Win Myint werde erwartet, dass er "die Regierung neu organisiert und ihr einen Energieschub gibt", schreibt die "Myanmar Times".
Die Personalien machen das Dilemma der auf Aung San Suu Kyi zugeschnittenen Partei und Regierung deutlich: Es herrscht ein Mangel an fähigen NLD-Persönlichkeiten zur Besetzung politischer Positionen.
Suu Kyi selbst ist gesundheitlich angeschlagen; viele Menschen haben Angst vor einer Zukunft ohne die - trotz verfehlter Wirtschaftspolitik - populäre Tochter des Staatsgründers General Aung San.
Westliche Diplomaten in Rangun räsonieren derweil über die Hintergründe der Beförderung von U T Khun Myat. Erhofft sich Aung San Suu Kyi von dem Kachin-Angehörigen einen neuen Schub für die ins Stocken geratenen Friedensverhandlungen mit ethnischen Milizen? Soll U T Khun Myat, der der Minderheit der Christen im Land angehört, von der desaströsen Politik gegen die muslimische Rohingya-Minderheit ablenken? Politik in Myanmar ist undurchsichtig. Transparenz, Teamarbeit und Kommunikation sind nicht die Stärken Aung San Suu Kyis.