DOMRADIO.DE: Sie sind seit Beginn der Fastenzeit ein Mal die Woche im Zug zwischen Limburg und Frankfurt anzutreffen, um sich mit Reisenden und Pendlern zu unterhalten. Wie sind Sie mit den Menschen ins Gespräch gekommen?
Olaf Lindenberg (Pfarrer im Pastoralen Raum Blasiusberg im Bistum Limburg): Die Menschen sind mit mir ins Gespräch gekommen. Ich sitze da – deutlich als Priester erkennbar – und bin neugierig wer kommt. Ich habe das vorher auch ein wenig bekannt gemacht, dass ich dort sein werde. Meistens kommt auch jemand und sucht das Gespräch.
DOMRADIO.DE: Wie signalisieren Sie, dass Sie ansprechbar sind?
Lindenberg: Ich schaue die Leute an, tippe nicht im Handy herum, ich habe keine Tasche neben mir liegen und signalisiere damit, dass ich ansprechbar bin. Das ist einer dieser Codes in Pendlerzügen, die muss man ein bisschen lesen können. Möchte jemand überhaupt angesprochen werden oder nicht.
DOMRADIO.DE: Was sagen die Menschen Ihnen dann, wenn sie auf Sie zukommen?
Lindenberg: Da ist wirklich alles aus dem Leben dabei. Es gibt Leute, denen ist was Tolles passiert, das möchten sie erzählen. Aber es kommen auch Menschen zu mir, die sagen, ich weiß gerade gar nicht wie es mir geht, da ist eine ganz große Bandbreite. Das Wichtigste für die Allermeisten ist, da ist jemand der mir zuhört.
DOMRADIO.DE: Geht es denn da mehr um ihr persönliches Leben oder geht es auch um die Kirche? Gibt es zum Beispiel auch kritische Nachfragen zu Kirche und Gott?
Lindenberg: Es geht eigentlich fast immer um das persönliche Leben und die Frage, wo ist da jetzt die Verbindung zu Gott, so meine Erfahrung. Die großen Kirchenthemen waren jetzt weniger dabei. Das kann aber auch an dem Ausschnitt liegen, den ich da gerade wahrgenommen hab.
DOMRADIO.DE: Welche Menschen haben Sie angesprochen?
Lindenberg: Im Grunde kreuz und quer: Ältere wie Jüngere, Männer wie Frauen, Studierende, schon Arbeitende und auch Menschen von denen ich nicht genau erfahren habe, was sie machen. Die ganze Bandbreite also.
DOMRADIO.DE: Diese Begegnungen, was haben die mit Ihnen gemacht?
Lindenberg: Wenn ich sage, es weckt Neugierde, klingt das komisch. Ich will die Leute ja nicht durchleuchten, ich bin kein Röntgenapparat. Ich meine die Neugierde mit jemanden auf Spurensuche zu gehen, wo ich Gott finden kann. Der lässt sich an Orten finden, an denen man das nicht für möglich hält, wie zum Beispiel in einem Pendlerzug.
DOMRADIO.DE: Gab es ein Gespräch, an das Sie sich direkt erinnern, von dem Sie sagen, das hat mich wirklich noch länger beschäftigt und bewegt?
Lindenberg: Ja, die gab es, zwei, drei Gespräche, sowohl vom Inhalt her, aber auch weil diese Menschen zu mir sagten: „Ich habe mitbekommen, dass Sie in diesem Zug sein werden und bin deshalb ganz bewusst einen Zug früher oder später gefahren“. Sie sind also ganz gezielt mit dem gleichen Zug wie ich gefahren. Das ist vorgekommen und hat mich berührt.
DOMRADIO.DE: Die Fastenzeit ist fast vorbei. Jetzt könnte man denken, Sie stellen auch Ihr Projekt „Pendeln durch die Fastenzeit“ ein.
Lindenberg: Ja, das dachte ich auch. Ich dachte, das ist ein Experiment, schau mal was passiert. Das Experiment ist gut angelaufen, wie ich finde. Deshalb gehe ich jetzt in die Verlängerung bis Pfingsten. Dann habe ich einmal die österliche Zeit durchfahren, sozusagen.
DOMRADIO.DE: Man kann auch nachlesen, was Sie so erleben. Sie betreuen einen Blogg.
Lindenberg: So ist es, ich hab einen Blogg, in dem es zu jedem Tag einen Impuls gibt, er heißt: www.andersbeten.blogg. Da kann man das dann nachlesen. Manchmal haben die Leute, die in der Bahn das Gespräch mit mir gesucht haben, den Impuls, den ich für den Tag gegeben habe, vorher gelesen und sich nochmal darauf bezogen.
Das Gespräch führte Martin Mölder.