Durchbruch für Textilarbeiterinnen in Asien steht noch aus

Wandel im Schneckentempo

Essen, Wohnen, Schule kosten Geld. Das Monatsgehalt einer Näherin in Bangladesch reicht dafür nicht. Auch fünf Jahre nach der Tragödie von Rana Plaza liegt in der Textilindustrie vieles im Argen. Doch Konsumenten könnten Druck machen.

Näherinnen in Bangladesch (dpa)
Näherinnen in Bangladesch / ( dpa )

Mehr als 1.100 Tote, rund 2.500 Verletzte: Der Einsturz des Fabrikhochhauses Rana Plaza vor fünf Jahren erschütterte Bangladesch - und brachte die Textilindustrie weltweit unter Druck. Nie wieder sollte es solch eine Tragödie geben, versicherten Politiker und Konzerne.

Mit internationaler Hilfe hat Bangladesch die Sicherheit seiner Fabriken verbessert. Doch Unglücke mit kleineren Ausmaßen gehören in Billig-Produktionsländern nach wie vor zur Tagesordnung, die Löhne der Näherinnen reichen nicht zum Leben, und Gewerkschaften sind Fesseln angelegt.

Zu Überstunden gezwungen

"Von den gerade einmal rund 50 Euro im Monat kann eine Näherin nicht Essen, Wohnen, Medikamente und Schule für die Kinder bezahlen", sagt die bangladeschische Aktivistin Kalpona Akter.

Oft müssten die Arbeiterinnen Elf-Stunden-Schichten leisten, sechs Mal pro Woche. "Und zu den Überstunden werden sie gezwungen."

Nach dem Einsturz von Rana Plaza (dpa)
Nach dem Einsturz von Rana Plaza / ( dpa )

Dass sich die Beschäftigten gewerkschaftlich organisieren dürfen, gelte in der Theorie. "Aber wenn sie es versuchen, werden sie meist bedroht, gefeuert oder sogar angegriffen."

Mehr als 100.000 Mängel

Der Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes am 24. April 2013 habe Schockwellen durch eine Industrie gesandt, die auf die Ausbeutung billiger und verletzlicher Arbeitskräfte gebaut habe, resümiert Christie Miedema von der Clean Clothes Campaign.

Direkt nach dem Unglück, "als die Augen der Welt auf Bangladesch gerichtet waren", schienen Versprechen tatsächlich mehr als Lippenbekenntnisse: Das Arbeitsgesetz sei überholt worden, ein Mindestlohn eingeführt, Gewerkschaften mehr Freiheiten eingeräumt worden.

Zudem sei mit dem Gebäude- und Brandschutzabkommen Bangladesch-Accord die Sicherheit spürbar verbessert worden. Mehr als 100.000 Mängel fielen den Inspektoren in rund 1.800 Fabriken auf.

Lohn und Arbeiterorganisation haben sich nur kurzfristig verbessert 

"Doch solche Aktionen können nur dann einen wirklichen Wandel bewirken, wenn sie für die gesamte Industrie gelten, nicht nur für Bangladesch", mahnt Miedema. "Und zweitens müssen sie nachhaltig und anhaltend sein."

Nach fünf Jahren scheine keines der beiden Kriterien erfüllt: Die Lehren für die Gebäudesicherheit seien in anderen Ländern nicht gezogen worden, und in Bangladesch hätten sich die Verbesserungen bei Lohn und Arbeiterorganisation als kurzlebig erwiesen.

Kleidung in einem Geschäft / © Forewer (shutterstock)

Wichtig sei nun anhaltender Druck der Käufer. Textilimporteure in Deutschland sehen sich indes auf gutem Weg: "Die Sicherheit der Fabriken, die für den Export arbeiten, hat sich dank des Engagements der westlichen Firmen deutlich verbessert", betont der unter starkem öffentlichen Druck stehende Modediscounter KiK, der in Rana Plaza fertigen ließ und inzwischen auch Entschädigungen an die Opfer zahlte.

"Im nächsten Schritt müssen jetzt die Anstrengungen erhöht werden, die Lohnsituation der Beschäftigten zu verbessern und die gewerkschaftlichen Aktivitäten zu verstärken", erklärt das Unternehmen, das selbst keinen Betriebsrat hat.

Ähnlich äußern sich auch andere Unternehmen – vom Discounter bis zum Öko-Anbieter. Unisono betonen etwa der Billig-Importeur Primark ebenso wie C&A, H&M, Aldi und Lidl oder Tchibo und Esprit die Erfolge des Bangladesch-Accords und versichern, sich auch für insgesamt bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Vor allem die Stärkung von Arbeitnehmervertretungen und faire Löhne werden genannt.

"Es gibt noch viel zu tun"

H&M weist darauf hin, dass alle zuliefernden Fabriken in Bangladesch inzwischen demokratisch gewählte Arbeitnehmervertretungen hätten; Lidl unterstreicht, seit Jahren Trainings für Textilhersteller zu finanzieren, die auch die Themen Entlohnung, Überstunden und Versammlungsfreiheit umfassen.

Laut Entwicklungsministerium arbeiten über 75 Millionen Frauen und Männer in der Textilindustrie – häufig ohne feste Verträge und soziale Absicherung. / © Christoph Koestlin (Fairtrade Deutschland)
Laut Entwicklungsministerium arbeiten über 75 Millionen Frauen und Männer in der Textilindustrie – häufig ohne feste Verträge und soziale Absicherung. / © Christoph Koestlin ( Fairtrade Deutschland )

"Es gibt noch viel zu tun, wir sind noch nicht am Ziel", räumt der Handelsverband HDE ein, dem auch große Konzerne angeschlossen sind. Doch nur in einem "engen Schulterschluss von Staat, Zivilgesellschaft und Unternehmen" könnten die sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen nachhaltig verbessert werden, betont Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

In die Pflicht nehmen lassen müssen sich die Unternehmen dabei noch nicht. Bisher ist der Einsatz für höhere Standards freiwillig, etwa im deutschen Textilbündnis, das Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) nach Rana Plaza ins Leben rief.

"Von rein freiwilligen Maßnahmen abrücken"

Dort sind aber nur 50 Prozent der deutschen Textilanbieter dabei, und die Großen des Online-Handels fehlen. Deshalb plädieren nun auch Importeure wie KiK für verbindliche Regeln für alle. Sie fürchten sonst Wettbewerbsnachteile.

Sowohl auf Bundes- als auch auf Europaebene werden mögliche verbindliche Regeln geprüft, Gesetze zeichnen sich aber noch nicht ab. Ohne solche Vorgaben glauben Arbeits- und Menschenrechtler aber nicht an einen wirklichen Durchbruch.

"Es ist absolut notwendig, von rein freiwilligen Maßnahmen abzurücken", erklärt Christie Miedema. "Diese haben sich in der Vergangenheit als klägliche Versager erwiesen."

Die Textilbranche in Bangladesch und die DBL Gruppe

In Bangladesch gibt es nach Angaben der Kampagne für Saubere Kleidung schätzungsweise 5.000 Textilfabriken. Etwa 2.000 davon produzierten für den Export. Zu den führenden Textilfabrikanten gehört laut Deutscher Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) die DBL Gruppe mit Sitz in Gazipur unweit der Hauptstadt Dhaka.

Ein Junge arbeitet in einer Textilfabrik in Dhaka, Bangladesch / © Sk Hasan Ali (shutterstock)
Ein Junge arbeitet in einer Textilfabrik in Dhaka, Bangladesch / © Sk Hasan Ali ( shutterstock )
Quelle:
epd