Nicht einmal eine halbe Stunde nach Schließung der Wahllokale war der Vorsprung von Ivan Duque so groß und stabil, dass die Stichwahl um das Präsidentenamt in Kolumbien entschieden war. Der konservative Politiker aus dem Lager des Ex-Präsidenten Alvaro Uribe (2002-2010) wird Anfang August als dann 42-Jähriger als jüngstes Staatsoberhaupt in der Geschichte des südamerikanischen Landes vereidigt.
"Eine neue Generation wird Kolumbien regieren", versprach Duque in seiner Siegesrede und versuchte einen Brückenschlag an das unterlegene Lager: "Ich will ein Präsident aller Kolumbianer sein." Es sei Zeit, die Polarisierung zu überwinden. In seinem Herzen existierten keine Rachegefühle, er kenne keine Feinde, sagte Duque.
"Freunde des Friedens"
Nach einem Wahlkampf der politischen Extreme des rechten gegen das linke Lager ein erster Versuch der Versöhnung. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Anhänger schon auf den Straßen der großen Städte unterwegs, um mit Hupkonzerten den Sieg Duques zu feiern. Zugleich versuchte der Wahlgewinner jenen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, die in ihm einen Feind des Friedensprozesses mit der Guerilla-Organisation FARC sehen: "Heute sind wir alle Freunde des Friedens", rief Duque seinen Anhängern zu. Er wolle den Frieden, aber er müsse in Einklang mit der Justiz erreicht werden.
FARC-Chef Timochenko, lange Zeit der Staatsfeind Nummer eins, gratulierte am Abend dem neu gewählten Präsidenten via Twitter: "Es ist ein Moment der Größe und der Versöhnung, wir respektieren die Entscheidung der Mehrheit und gratulieren dem neuen Präsidenten." Vor ein paar Jahren wäre das noch undenkbar gewesen.
Rot-grünes Bündnis als starke Opposition
Mit knapp zehn Millionen Stimmen kann Duque auf eine solide Basis bauen. Doch auch der unterlegene Linkskandidat Gustavo Petro hatte Grund, zufrieden auf das Ergebnis zu blicken: Mit rund 42 Prozent - rund acht Millionen Stimmen - konnte er das beste Ergebnis eines Linkspolitikers in der jüngeren Geschichte einfahren. Sein rot-grünes Bündnis - geschmiedet aus linksradikalen Gruppen, sozialdemokratischen und grünen Bewegungen - geht als starke Opposition in die nächsten vier Jahre.
Petro gratulierte dem Wahlgewinner, kündigte aber zugleich eine harte Oppositionsarbeit an. Seine Bewegung werde es nicht zulassen, dass Kolumbien auf einen Weg des Krieges zurückkehre, so Petro, der von vielen tausend Anhängern gefeiert wurde.
"Großes demokratisches Potential"
Florian Huber, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Bogota und Mitglied der internationalen Wahlbeobachtungsmission (MOE), einer zivilgesellschaftlichen Initiative zur unabhängigen Beobachtung der Wahlen, zieht ein positives Fazit. "Es waren die friedlichsten und fairsten Wahlen seit Jahrzehnten", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Die Wahlbeteiligung war wie bereits in der ersten Runde hoch; dies zeigt das große demokratische Potenzial gesellschaftlicher und politischer Beteiligung für die Zukunft des Landes."
Auf Duque warten nun einige Herausforderungen, um die im Wahlkampf gerungen wurde. In den vergangenen anderthalb Jahren kamen rund eine Million Flüchtlinge aus Venezuela nach Kolumbien, die in den Arbeitsmarkt, aber auch in die Gesellschaft integriert werden müssen.
Keinen Krieg geerbt
Zudem hat Duque einen härteren Ton gegenüber den sozialistischen Machthabern in Caracas angeschlagen als Vorgänger und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos, der wegen einer in der Verfassung festgelegten Amtszeitbegrenzung nicht wieder antreten durfte. Die Umsetzung des Friedensvertrages mit der FARC sowie die noch laufenden Friedensgespräche mit den ELN-Rebellen fallen nun in seinen Verantwortungsbereich. Zugleich ist Duque aber auch der erste Präsident seit über einem halben Jahrhundert, der keinen Krieg von seinem Vorgänger geerbt hat.
Mit Marta Lucia Ramirez (62) ist neben Duque erstmals eine Frau zur zweitmächtigsten Frau des südamerikanischen Landes gewählt worden. Ramirez, die auch schon die erste Verteidigungsministerin Lateinamerikas war, versprach, sich für die Rechte der rund 26 Millionen Kolumbianerinnen einzusetzen.