DOMRADIO.DE: Die Weltmeisterschaft wartet mit der einen oder anderen Überraschung auf. Nun kann England auch plötzlich Elfmeter schießen und sich so im Achtelfinale gegen Kolumbien durchsetzen.
Schwester Katharina Hartleib (DOMRADIO.DE-Fußball-Expertin): Das hat mich auch völlig verblüfft. Als ich mitgekriegt habe, es geht ins Elfmeterschießen, dachte ich: Kolumbien hat nun die Chance. Dass England das plötzlich kann, das eröffnet ihnen natürlich alles. Ich habe heute Morgen ein Kommentar gehört, der ungefähr so lautete: "Wir sind ganz cool geblieben. Wir haben uns nicht aufgeregt. Und selbst nachdem ein Elfer gehalten worden war, wir wussten, wir schaffen das." Das fand ich genial.
DOMRADIO.DE: Das ist die richtige Einstellung. Aber wie ist das bei uns? Wir tippen bei unserem Tippspiel und werden irgendwie abgehängt. Wir bewegen uns beide eher so Richtung Platz 300. Die Giganten, die großen Favoriten bei der WM fliegen raus. Ich habe beispielsweise auch auf die Schweiz gesetzt. Wie ist das bei Ihnen?
Schwester Katharina: Ich habe auch auf die Schweiz gesetzt, weil ich die für insgesamt stärker gehalten habe und besser in ihrer Art Fußball zu spielen. Dass dann Schweden gewinnt, hat mich total überrascht.
Aber es gab ja in diesem gesamten Achtelfinale viele Überraschungen, die ich nicht erwartet habe. Ich habe nicht erwartet, dass Uruguay Portugal schlägt. Es freut mich ehrlich gesagt, aber ich habe es nicht erwartet. Dass es bei Frankreich gegen Argentinien so werden würde, hatte ich gehofft, aber in der Art und Weise nicht erwartet. Dass Spanien gegen Russland rausfliegt, habe ich auch nicht erwartet. Also ging eine Erwartung nach der anderen schief.
Beim normalen Fußballgucken bin ich eigentlich immer für die Underdogs, wobei die manchmal ja gar nicht so leicht auszumachen sind. Aber bei diesem Tippspiel habe ich immer ein bisschen nach meinem Fußballverstand getippt, und das ist immer schief gegangen. Das ist hoch interessant.
DOMRADIO.DE: Was erwarten Sie denn vom Viertelfinale? Wenn ich Sie jetzt frage, kann ja alles wieder anders sein. Aber was glauben Sie? Was wird da los sein?
Schwester Katharina: Normalerweise würde ich sagen, Frankreich ist eine Bank. Aber da ist eigentlich nur Mbappé, der richtig gut war. Und Uruguay hat sich so engagiert gezeigt, ich bin erstaunt.
Und dann Brasilien gegen Belgien. Das ist ja eine unglaubliche Paarung. Die Belgier, die mich eigentlich im letzten Spiel enttäuscht haben, das aber noch gegen Japan umgebogen haben, obwohl sie schon zwei zu null zurücklagen, das heißt ja was. Und Brasilien ist eigentlich von allen übriggebliebenen Teams die abgeklärteste Mannschaft, die einfach gut durchkommt. Auch Schweden gegen England - man kann es überhaupt nicht mehr sagen.
Bei Russland und Kroatien würde ich immer noch sagen, dass Kroatien der Favorit ist. Wenn der Trainer der Russen sagt, die können immer noch schneller, dann habe ich meine Bedenken, die einfach nochmal in Richtung Doping gehen, was wir ja leider mit beachten müssen.
DOMRADIO.DE: Wenn wir jetzt Richtung Finale schauen, was glauben Sie? Kann man da jetzt schon schätzen, wer Weltmeister werden könnte?
Schwester Katharina: Meine Hoffnung ist immer noch, dass es zum Finale Frankreich gegen England kommt. Das wäre mal wirklich der Knaller, nachdem England 1966 das letzte Mal etwas gewonnen hat. Ich würde es ihnen sehr gönnen, mit dieser völlig anderen Spielweise, mit diesen jungen Leuten, die sie reingenommen haben, mit diesem nicht mehr überpräsenten Rooney und weil sie wirklich eine Mannschaft haben. Das würde mir schon sehr gefallen.
Belgien eigentlich auch, weil die sind richtig gut. Sie haben mich ein bisschen enttäuscht im Achtelfinale, aber vielleicht fangen sie sich jetzt wieder. Von daher würde ich immer noch schätzen, dass Frankreich gegen England die Finalpaarung ist.
DOMRADIO.DE: Wenn Schweden Weltmeister würde, dann könnten wir zumindest hier in Deutschland sagen, dass wir die in der WM aber geschlagen haben. Und damit der Brückenschlag zum deutschen Team. Nun kam die Nachricht, dass Joachim "Jogi" Löw Trainer der Nationalmannschaft bleibt. Was sagen Sie dazu?
Schwester Katharina: Ich bin ehrlich gesagt erstaunt. Ich hatte ja schon in einer Einschätzung mal gesagt, ich würde ihm raten zu gehen. Aber ich habe den Eindruck, es ist für den DFB der bequemere Weg.
Und seit wann bestimmt ein Trainer selbst, ob er geht oder bleibt. Wenn ich jetzt DFB-Chef wäre, würde ich sagen, wir müssen komplett neu anfangen. Zu einem kompletten Neuanfang gehört auch ein neuer Trainer. Ich glaube, man macht es sich zu leicht.
DOMRADIO.DE: Aber er hat natürlich auch einen Vertrag bis 2022. Man macht es sich vielleicht auch günstig, oder?
Schwester Katharina: Das ist natürlich auch wahr. Ich will ja das, was Jogi Löw geschafft hat, überhaupt nicht hinten anstellen. Er war erfolgreich bis zum Geht-nicht-mehr. Aber nach so einem krachenden Aus würde ich doch neu anfangen. Er hat nicht viel Zeit. Im September geht es ja schon wieder los. Und warum hat er denn nicht die Spieler vom Confed-Cup, die so erfolgreich waren, einfach genommen? Neuanfang mit einem alten Trainer, der das schon zwölf oder vierzehn Jahre macht? Ich bin skeptisch.